Augenrollende Frau (Foto: IMAGO, Panthermedia)

"Zwei Minuten": Die Kolumne zum Wochenende

Meinung: Ein Diversitätstag ist nicht genug

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Laura Koppenhöfer

Im Land der Augenroller und Kopfschüttlerinnen eckt man ständig wegen irgendwas an. Solange sich das nicht ändert, braucht es eigentlich jede Woche einen Diversitäts- oder Toleranztag, findet Laura Koppenhöfer.

Diese Woche war wieder Diversity-Day. Unternehmen, Organisationen und Einrichtungen haben die Fahnen geschwenkt für mehr Vielfalt. Auch die ARD hat mitgemacht. Wie nötig das ist, zeigen Rassismus, Sexismus und all die anderen Formen der Diskriminierung tagtäglich.

Die Kolumne von Laura Koppenhöfer können Sie hier auch als Audio hören:

Es zeigt sich aber auch darin, dass es oft noch viel weniger braucht, um sich andersartig, ganz und gar nicht normal, hochgradig unerwünscht zu fühlen. Dafür braucht es in Deutschland weder eine erwähnenswerte Herkunft noch ein auffälliges Äußeres.

Es reicht, als Mutter kleiner Kinder in Vollzeit zu arbeiten. Oder, noch krasser, als Vater in Teilzeit. Oder, jetzt wird's komplett verrückt, sich als zusammenlebende Eltern so aufzuteilen.

Es reicht, trotz heterosexueller Partnerschaft und funktionstüchtiger Gebärmutter keine Kinder zu bekommen. Freiwillig!

Es reicht, trotz geselliger Runde und funktionstüchtiger Leber keinen Alkohol zu bestellen. Freiwillig! Oder, ob mit oder ohne Alkohol, auf seinem Balkon lauthals zu singen oder in der S-Bahn lauthals zu lachen.

Es reicht, sich mit einem Baby nach 20 Uhr öffentlich blicken zu lassen oder, noch schlimmer, beim PIN-Eingeben an der Kasse drei Versuche zu brauchen, oder, VIEL schlimmer, beim Einparken an einer befahrenen Straße zwei.

Laura Koppenhöfer (Foto: SWR, SWR/Christian Koch )
Die Meinung von Laura Koppenhöfer

Im Land der Augenroller und Kopfschüttlerinnen, wo immer irgendwas irgendwen schrecklich belästigt, bräuchte es eigentlich jede Woche einen Diversitätstag oder, anders ausgedrückt: einen Toleranztag. Nachdem der damals vielversprechende Corona-Hashtag #zusammenhalten gefühlt auch gänzlich verpufft ist.

Und das wirklich Blöde daran: Längst nicht alle sind dickfellig genug, die missbilligenden Blicke und empörten Schnaufer selbstsicher zu ignorieren. Ich kenne Menschen, die derlei Stresssituationen mittlerweile tunlichst vermeiden und genau dadurch noch gestresster werden.

Noch mehr kenne ich, die sich immer weiter aus den sozialen Medien zurückziehen, weil sie die Online-Versionen der Augenroller und Kopfschüttlerinnen und deren Hasskommentare nicht mehr ertragen.

Da wundert es doch nicht, dass sich weder der Welt-Nettigkeitstag noch der Welt-Toleranztag, die es am 13. und 16. November tatsächlich gibt, auch über 25 Jahre nach Einführung noch nicht wirklich rumgesprochen haben.

Und solange wir sogar Thementage fürs Nettsein brauchen, reicht ein Tag im Jahr für mehr Diversität bei weitem nicht aus.

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