Am Mittwoch hat ein charismatischer Politiker das Weiße Haus verlassen, ein farbloser zieht ein. Das Wort Charisma steht für eine Wirkung von Menschen, die weniger auf persönlichen Taten beruht als auf Verehrung durch Anhänger. Diese Frauen und Männer fühlen sich stark, indem sie einer vermeintlich starken Persönlichkeit huldigen. Der Soziologe Max Weber zählte "große Demagogen" zu den "reinsten Typen" charismatischer Herrschaft. Er hätte wohl Donald Trump zu einem Musterbeispiel erklärt.

Persönliches Charisma bewirkt politische Wunder. Den "Immobilienlöwen" Donald Trump hat es in das wichtigste politische Amt der Welt getragen. Er inszenierte seine Auftritte glanzvoll, beschäftigte über seinen Twitter-Account die Welt. Als er seine Anhänger jüngst zum Kapitol rief, ließen sie sich nicht zweimal bitten.
Charismatiker bewirken Schlechtes wie Gutes
In den Augen seiner Parteifreunde und vieler Amerikaner trat allerdings auch ein, was Max Weber über den Sturz von Charismatikern geschrieben hat: "Ist ihm Erfolg versagt, wankt seine Herrschaft." So manche bisherige Unterstützer hatten es nach Trumps knapper Abwahl eilig, ihm den Rücken zu kehren. Charisma funktioniert ein bisschen wie die Liebe: Über Nacht kann das Gefühl verflogen sein, und du weißt nicht warum.
Die letzten, hässlichen Wochen von Donald Trumps Amtszeit dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Energie charismatischer Herrscher keine Richtung kennt – und damit Schlechtes wie Gutes bewirkt. Donald Trump hat die politische Spaltung des amerikanischen Volkes vertieft, aber auch die selbstgerechte Politiker-Elite in Washington düpiert. Er verrohte die politischen Sitten. Zugleich machte er mit Tabubrüchen – etwa der Anerkennung von Jerusalem als israelischer Hauptstadt – virtuos Politik. Donald Trump hat das Weiße Haus verlassen. Aber der Typ des charismatischen Herrschers, wie ihn Max Weber beschrieben hat, ist mit ihm nicht verschwunden.