Gerhard Leitner (Foto: SWR, Oliver Reuther)

"Zwei Minuten": Die Kolumne zum Wochenende

Meinung: Die Brille und die vierte Welle

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Gerhard Leitner

Wenn es draußen kalt wird, geht es mit der beschlagenen Brille wieder los - der Corona-Maske sei Dank. Das erinnert an den Herbst vor einem Jahr. Doch eigentlich ist alles anders, meint Gerhard Leitner.

Es geht wieder los: Seitdem es draußen kälter ist, fängt das mit der Brille wieder an. Da ich – wenn auch nicht gerne – eine Corona-Maske trage, wenn ich irgendwo reingehe, wo mehrere andere Menschen sind, dann beschlägt die Brille. Ich kann, trotz bald dreijähriger Übung, die Maske tragen, wie ich will – hilft alles nix, und weckt Erinnerungen an den vergangenen Herbst – da standen wir vor der vierten Welle.

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Die Angst vor der Delta-Variante ging um, neue Kontaktbeschränkungen wurden ins Gespräch gebracht. Es kam dann nicht ganz so schlimm, trotzdem war das öffentliche Leben ziemlich lahmgelegt. Wenn man jetzt durch die Stadt geht und die vielen verwaisten Corona-Teststationen sieht, wirkt das wie im falschen Film – vorübergehend geschlossen. Im richtigen Film hat die Lieblingspizzeria mittlerweile auf Lieferservice umgestellt, das kleine Spielwarengeschäft ist seit einem Jahr zu. Der ein oder andere Laden hat einen neuen Besitzer, der günstig übernommen hat. Irgendwie traurig.

Aber das Leben ist zurück, z.B. in München. Dort wird das größte Volksfest der Welt gefeiert, als wäre nie was gewesen. Es gibt keine besonderen Corona-Beschränkungen. In Münchner Bussen und Bahnen sind zwar Masken vorgeschrieben, aber nicht für die erwarteten sechs Millionen Besucher auf der Wiesn. Damit ist der Beweis erbracht, dass die Pandemie verschwunden ist. Zumindest aus den Köpfen.

Ein benutzter Mund-Nasen-Schutz liegt auf dem Boden zwischen Herbstlaub. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, dpa Bildfunk, Christian Charisius)
Wenn es draußen kalt wird, geht es mit der beschlagenen Brille wieder los - der Corona-Maske sei Dank.

Das gilt wohl auch für den Cannstatter Wasen, für volle Theatersäle, Fußballstadien und andere Großveranstaltungen. Gut – in München ist die Sieben-Tage-Inzidenz auf fast 700 gestiegen, ein Anstieg um mehr als 170 Prozent innerhalb der vergangenen Woche. Früher hätte man das einen Super-Super-Spreader-Event genannt – heute heißt es einfach wieder: "O'zapft is" und gut! Und dass der Kanzler Corona hat – vor zwei Jahren hätte das noch große Besorgnis ausgelöst.

Aber zum Glück scheint das Virus nicht mehr so aggressiv zu sein. Da kann man hoffen, dass der ganze Spuk irgendwann wirklich ganz vorbei ist. Und es besteht Hoffnung: US-Präsident Biden hat bereits vor einigen Tagen erklärt, die Corona-Pandemie sei zu Ende. Dummerweise gehen die Zahlen gerade wieder hoch. Die Brille wird wohl noch lange beschlagen.

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