Für Verbraucher ist es eine gute Entwicklung: Morgens Tanken ist jetzt nicht mehr so teuer wie früher. Bis vor einem halben Jahr waren die Spritpreise nämlich gegen sieben Uhr an fast allen Tankstellen extrem hoch. Das hat sich geändert, wie das SWR Data Lab berechnet hat. Die folgenden Grafiken vergleichen den Preisverlauf über einen Tag hinweg für Super-Benzin und Diesel am 1. März und am 4. Oktober 2023 miteinander:
Seit dem Ende des Tankrabatts im September 2022 folgten die Spritpreise in Deutschland jeden Tag demselben Muster: Gegen sieben Uhr morgens kletterten sie auf ihre täglichen Höchstwerte, bis zum Abend sanken sie nach und nach auf ihre täglichen Tiefstwerte. Das zeigt das SWR-Tankmonitoring. Am 24. Februar 2023 etwa kostete Diesel um 7 Uhr in Deutschland 22 Cent mehr als über den gesamten Tag betrachtet.
Preissturz am Morgen
Doch seit Ende März liegen die Preise für Super und Diesel um sieben Uhr nur noch zwischen drei und sieben Cent über den mittleren Tagespreisen. Ein Preissturz von einem Tag auf den anderen:
Aral löst "Preiskrieg" aus
Ausgelöst hat diese Veränderung Aral. Das zeigt die Datenanalyse des SWR Data Lab. Deutschlands größter Tankstellenbetreiber hatte plötzlich seine Preisstrategie gewechselt. Am 21. März senkte Aral deutschlandweit an seinen Tankstellen die Preise am Morgen drastisch ab. Im Vergleich zum mittleren Tagespreis kostete ein Liter Super-Benzin elf Cent weniger als am Vortag, ein Liter Diesel sogar 18 Cent weniger.
Tomaso Duso ist Mitglied der Monopolkommission, die die Bundesregierung berät. Der Wirtschaftsforscher vom Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW) in Berlin spricht von einem „möglichen Preiskrieg“. Das ist ein wissenschaftlicher Begriff für Situationen, in denen ein Unternehmen durch Preissenkungen versucht, seinen Marktanteil zu erhöhen. Neue Kunden sollen durch niedrige Preise angelockt werden.
Aral fängt an, alle Andere folgen
Die Reaktion der übrigen Tankstellenbetreiber folgte prompt: In den darauffolgenden beiden Tagen zogen die anderen großen Marken nach und senkten ihre Preise am Morgen ebenfalls drastisch. Ein nachvollziehbarer Schritt, schließlich mussten sie sicherstellen, dass die Kunden nicht zu Aral abwandern.
Arals Angriff auf die Konkurrenz am 21. März blieb das einzige Kapitel im „Preiskrieg“. Das SWR Data Lab beobachtet seit langem mit einem eigenem Tankmonitoring die Entwicklung der Spritpreise in Deutschland. Seit dem 21. März konnten die Analysen aber keine weiteren Preisgefechte mehr aufdecken. Kein Mitbewerber von Aral versuchte, etwa als Gegenreaktion, die Preise von Aral noch einmal zu unterbieten.
Shell: "aus wettbewerbsrechtlichen Gründen keine Stellungnahme "
Über die Gründe für Arals Strategiewechsel lässt sich nur spekulieren. Das SWR Data Lab hat Aral und die vier anderen größten Tankstellenbetreiber in Deutschland mit einer Reihe von Fragen konfrontiert. Keines der Unternehmen war bereit, die Fragen zu beantworten. Fast einhellig kam zurück: "aus wettbewerbsrechtlichen Gründen keine Stellungnahme", keine Antwort "aus kartellrechtlichen Gründen".
"Stillschweigende Absprache" denkbar
Eine mögliche Erklärung laut Ökonom Duso: „Es kann sein, dass die Unternehmen es seit mehreren Jahren durch eine stillschweigende Absprache geschafft haben, am Morgen Preise zu haben, die über dem ‚normalen‘ Wettbewerbsniveau liegen.“ Womöglich hatten es die Tankstellenbetreiber also über Monate geschafft, Sprit am Morgen teurer zu verkaufen, als sie es unter echten Wettbewerbsbedingungen hätten machen können. Einen Beweis dafür sieht Duso nicht. Er nennt das eine „reine spekulative Überlegung.“
Das Kartellrecht verbietet explizite Absprachen und abgestimmte Verhaltensweisen zwischen den Konzernen. Bei „stillschweigenden Absprachen“ hingegen einigen sich Unternehmen durch gegenseitiges Beobachten und Nachahmen auf Preise oder ein bestimmtes Preisniveau, ohne dies explizit zu vereinbaren. Statt sich ständig gegenseitig zu unterbieten, könnten so alle Tankstellenbetreiber ähnlich hohe Preise anbieten. Das wäre legal und lohnt sich aus Unternehmenssicht, solange die Kunden mitspielen.
Kartellamt: "Illegale Absprachen nicht notwendig"
„Wer tankt am Morgen? Das sind Leute, die bereit sind, höhere Preise zu zahlen. Geschäftskunden mit Dienstauto zum Beispiel“, sagt Tomaso Duso. „Dass alle Unternehmen am Morgen diese Preisspitze hatten, könnte auf eine stillschweigende Absprache hindeuten: Alle - Aral, Shell, Jet - wissen, dass die Kunden am Morgen nicht so sensibel auf die Preise reagieren und setzen die Preise deshalb höher.“
Eine weitere mögliche Erklärung für den Strategiewechsel von Aral sei laut Duso, dass sich die morgendliche Nachfrage mit dem Ende der Corona-Pandemie geändert haben könnte. Etwa, weil nun wieder vermehrt Autofahrer unterwegs waren, die sensibel auf Preise reagierten. Womöglich habe Aral dies registriert und als erstes darauf reagiert, sagt Duso. Doch das lässt sich nicht ohne Weiteres untersuchen, weil öffentliche Daten zur Nachfrage fehlen.
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, sagt dem SWR, dass „auf illegale Absprachen bei Tankstellen nach wie vor keine Hinweise“ vorlägen. „Wir denken auch nicht, dass sie in einem Markt wie dem Tankstellenmarkt notwendig sind. Die Tankstellenbetreiber kennen die Preise ihrer Wettbewerber seit jeher sehr genau. Daher ist es auch ein leichtes, darauf zu reagieren.“
Wer sich informiert, spart Geld
Wichtig für Verbraucher ist, dass sie nach wie vor relativ einfach eine Menge Geld an der Zapfsäule sparen können, wenn sie sich informieren. Dazu rät auch Kartellamtspräsident Mundt: „Das belebt den Wettbewerb mehr als alles andere.“
Noch immer schwanken die Spritpreise im Tagesverlauf, wenn auch nicht mehr so stark wie vor dem Strategiewechsel von Aral. Doch es gibt weiterhin erhebliche regionale Unterschiede und Unterschiede zwischen den Tankstellenbetreibern. Der SWR-Tankmonitor zeigt diese regionalen Unteschiede für alle Städte und Gemeinden in Deutschland. So können Verbraucher in wenigen Sekunden herausfinden, ob der derzeit angebotene Preis an einer Tankstelle günstig ist oder nicht.