Sondierungsgespräche nach Bundestagswahl

Koalitionscheck: Können sich Union und SPD ein Beispiel an Baden-Württemberg nehmen?

Stand

Von Autor/in Stephanie Jauss, Simon Jockers, Maren Krämer, SWR Data Lab

CDU/CSU und SPD treffen sich am Freitag zu Sondierungsgesprächen. Doch die Verhandlungen könnten schwierig werden. Warum das so ist und was Union und SPD von BW lernen können, zeigt eine Datenanalyse des SWR.

Deutschland hat gewählt - doch die Regierungsbildung wird herausfordernd. Zwar liegt die Union aus CDU und CSU mit 28,5 Prozent der Stimmen vorn, doch für eine Mehrheit im Bundestag reicht das nicht. Die AfD folgt mit 20,8, die SPD mit 16,4 Prozent. Die Positionen der möglichen Koalitionspartner gehen weit auseinander, die Verhandlungen könnten lange und zäh werden. Was können die Parteien in Sachen Koalitionsbildung vom grün-schwarzen Regierungsbündnis in Baden-Württemberg lernen?

Datenanalyse zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Wahlprogrammen

Ähnliche politische Positionen der Partner erleichtern die Zusammenarbeit in der Koalition. Das SWR Data Lab hat die Wahlprogramme der Parteien untersucht, um herauszufinden, welche Parteien sich inhaltlich nahestehen. 

Grundlage für die Analyse ist das Forschungsprojekt Manifesto des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) und der Universität Göttingen, welches alle Aussagen in den Wahlprogrammen anhand politikwissenschaftlicher Kriterien einer von 56 Kategorien zuordnet. Diese Kategorisierung erlaubt es, die Positionen der Parteien umfassend und datengestützt zu vergleichen.  

Den Parteien stehen schwierige Verhandlungen bevor. Die Parteilinien gehen nämlich mitunter weit auseinander. Bereits im Wahlkampf signalisierten Vertreterinnen und Vertreter der CDU/CSU immer wieder Skepsis gegenüber einer Zusammenarbeit mit den Grünen. Trotz der programmatischen Unterschiede regiert allerdings genau diese Koalition seit fast zehn Jahren in Baden-Württemberg - kann das also auch im Bundestag funktionieren?  

Auch in Baden-Württemberg gibt es programmatische Differenzen - trotzdem finden die Parteien Kompromisse. Dabei hilft, dass sie sich zumindest in Sachen Wirtschaftspolitik ähnlich sind. Denn Partei-Bündnisse seien laut Marc Debus wahrscheinlicher, wenn die Partner sich in zentralen Positionen nahestehen.  

Die SPD ist den Grünen in politischen Fragen ähnlicher. Doch als 2021 eine Ampel-Koalition in Baden-Württemberg möglich gewesen wäre, haben sich stattdessen erneut CDU und Grüne erneut zusammengefunden. Marc Debus vermutet, dass das auch an der zuvor gut funktionierenden Zusammenarbeit lag: "Amtierende, relativ konfliktfrei regierende Koalitionen haben eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, nach der Wahl weiter zu regieren."

Auch der Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), als wichtigster Akteur der Koalition, sei ein Grund für die lange Zusammenarbeit der Parteien. Kretschmann gilt als vergleichsweise konservativer Grünen-Politiker und sprach sich deutlich für die Zusammenarbeit mit der CDU aus - sogar gegen Stimmen aus der eigenen Partei. "Das aufgebaute Vertrauen zwischen den Parteien und ihren Vertretern macht eine erneute Bildung der amtierenden Koalition wahrscheinlicher", weiß Marc Debus.

Sind Landtags-Koalitionen ein Vorbild für die Bundesregierung? 

"Koalitionen auf Landesebene werden gerne als Experiment für die Bundesebene angesehen", erklärt Marc Debus. Die Parteien könnten dabei testen, wie stabil und kompromissfähig ein Bündnis ist - und so auf Bundesebene erfolgreiche Verhandlungen führen. Das vorzeitige Aus der Ampel-Koalition im Bundestag zeigt, dass das nicht immer klappt. Trotz vorherigem Erfolg des Bündnisses in Rheinland-Pfalz ist die Zusammenarbeit in der Bundesregierung gescheitert.  

RLP

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CDU/CSU und SPD haben sich am Freitag zu ersten Sondierungsgesprächen getroffen. Doch die Verhandlungen könnten schwierig werden. Warum das so ist und was Union und SPD von RLP lernen können, zeigt eine Datenanalyse des SWR.

Ein Grund dafür kann auch sein, dass im Bundestag andere Konflikte gelöst werden müssen. Denn dort werden bundesweite und auch globale politische Fragen diskutiert, etwa zur Außen- und Verteidigungspolitik.   

Die Schwerpunkte im Landtag liegen hingegen in der Bildung, inneren Sicherheit und Kultur - und auch auf der Ausführung der vom Bundestag beschlossenen Gesetze. Laut Marc Debus seien dadurch im Landtag auch Koalitionen zwischen Parteien möglich, die sich auf Bundesebene in außen- und verteidigungspolitischen Fragen uneinig sind. 

Was heißt das für die Koalitionsbildung im Bundestag? 

Eine schwarz-grüne Koalition kann im Bundestag nur zusammen mit der SPD entstehen. Für ein Zweier-Bündnis nach baden-württembergischem Vorbild haben CDU/CSU und die Grünen keine Mehrheit.  

Aktuell gibt es in keinem Bundesland eine Kenia-Regierung. Bei Koalitionsverhandlungen können die Parteien aktuell also nicht aus Erfahrungen aus bestehenden Bündnissen profitieren. Das erschwert die Verhandlungen. 

Alle potenziellen Koalitionspartner, egal ob Grüne, SPD, CDU/CSU oder die rein rechnerisch bündnisfähige AfD, müssten bei der Regierungsbildung Kompromisse eingehen. Die Analyse der aktuellen Bundestags-Wahlprogramme verdeutlicht, wo die Streitpunkte zwischen den Parteien liegen könnten. Während beispielsweise den Grünen der Umweltschutz wichtig ist, spielt er bei CDU/CSU und SPD eine weitaus kleinere Rolle. Gezeigt werden hier die zehn Themen, bei denen die möglichen Koalitionspartner am weitesten auseinanderliegen.

Die Programme zeigen die Alleinstellungsmerkmale der Parteien: Während die Grünen für Umweltschutz stehen, sind für die CDU die deutsche Nation und für die SPD die Arbeitnehmer:innen wichtiger als für die jeweils anderen möglichen Koalitionspartner. Für die Grünen wäre die Kenia-Koalition die einzige Chance auf eine Regierungsbeteiligung, und SPD und CDU/CSU haben auch ohne grüne Beteiligung eine knappe Mehrheit der Sitze inne. Die Partei müsste also große Kompromisse eingehen und womöglich von Positionen aus ihrem Wahlprogramm abkommen. 

In der Großen Koalition sind der SPD vor allem soziale Themen wie Gleichheit und Wohlfahrt deutlich wichtiger als der CDU/CSU. "Bei großen Distanzen zwischen den Parteien müssen Kompromisse gemacht werden, die mitunter stark von den Wahlkampfversprechen abweichen", erklärt Marc Debus. Das könne zu Unzufriedenheit bei den Parteianhängern führen, da die von ihnen gewählten Inhalte nur im geringen Ausmaß umgesetzt werden können. 

Rechnerisch wäre auch eine Koalition aus CDU/CSU und AfD möglich. Beide Parteien stehen für traditionelle Werte, doch bei der AfD stehen diese noch viel mehr im Fokus als bei der CDU/CSU. So sei für die AfD beispielsweise "die Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern, die Keimzelle der Gesellschaft" und eine "Indoktrination von Kindern und Jugendlichen durch Trans-Kult, Frühsexualisierung und Genderideologie" dürfe es nicht geben.  

Freiheit und Menschenrechte spielen bei der AfD beispielsweise bei der Ablehnung von Impfpflicht und Tempolimit sowie bei der Kritik an der "zunehmenden Kontroll- und Verbotspolitik der Bundesregierung im Bereich der Medien und sozialen Netzwerke" eine große Rolle. 

Der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen. Hält er weiter daran fest, bleibt der CDU/CSU keine andere Option als eine Zusammenarbeit mit der SPD. 

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