Rechtzeitig vor der nächsten Pandemie schule ich auf Zukunftsforscher um. Zukunftsforscher erleben einen Boom wie Lebensmittelläden und Baumärkte. Zu ihrer Stellenbeschreibung gehört, das künftige Denken und Handeln von Menschen vorauszusagen. Einer der bekannteren Zukunftsforscher, Horst Opaschowski, hat jetzt mit einem Buch ein „Zukunftshaus“ gebaut als – so der Werbetext – „verlässliche Agenda und Leitplanke auf dem Weg in das kommende Jahrzehnt“.

Worüber die Damen und Herren der Zunft gern schweigen: Der Mensch ist begierig darauf, die Zukunft zu kennen, aber ein Dilettant in der Vorausschau. Das gilt auch für Zukunftsforscher. Sie wären bettelarm, würden sie erst mit Eintreten ihrer Prognosen honoriert.
Die Pythia, Hellseherin im antiken Orakel von Delphi, soll zu ihrer Leistungssteigerung ständig bekifft gewesen sein. Intelligente Geister wie Karl Marx machten aus der Not eine Tugend und schrieben nicht auf, wie die Zukunft wird, sondern wie sie zu sein hat. Utopien dieser Art haben längst auf dem Müllhaufen der Geschichte Platz genommen.
Selbstverständlichkeiten in elegantem Kleid
Ohne Cannabis, Glaskugeln oder Tarot-Karten, aber wort- und schreibgewandt führen Zukunftsforscher wie Herr Opaschowski aus der Corona-Krise. Nach einer Umfrage zwischen März und Juli 2020 nennt er die Deutschen „semi-glücklich“. Glücklich also und auch wieder nicht. Es existiere Sorge über das, was an Ungewissem komme, aber auch Freude über das, was besser werde. Hier kommt eine Selbstverständlichkeit in elegantem Kleid daher.
Der neue Reichtum wird, sagt Horst Opaschowski voraus, „jenseits von Geld und Gütern“ liegen: in der Zufriedenheit mit sich, der eigenen Gesundheit und dem Leben. Die Deutschen streben nicht länger nach dem „ganz großen Glück“, sondern einem „Semi-Glück“, das sie dem „Fühlen und Füllen des Lebens“ ein Stück näher bringt.
Erbaulich hätte man solche Sätze früher genannt. Aber hoffentlich gut bezahlt!