Ein Tablet zeigt einen Auszug eines Online-Fragebogens zum Zensus (Foto: Pressestelle, Statistische Ämter des Bundes und der Länder)

Die Deutschen und ihre Daten

Datensicherheit in BW: Kritik am Zensus 2022 bleibt erst einmal aus

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Mit dem Zensus 2022 hat eine umfangreiche Datenerhebung begonnen. Doch wogegen die Menschen früher noch lautstark protestierten, stört heutzutage offensichtlich kaum jemand mehr.

Sie riefen bundesweit zum Protest auf, mobilisierten die Massen und zogen letztlich sogar vor das Bundesverfassungsgericht: Kritikerinnen und Kritiker der Volkszählung im Jahr 1983. Und sie hatten Erfolg. Dank eines wegweisenden Urteils wurde die groß angelegte Datenerhebung gestoppt und fand erst vier Jahre später statt. Knappe vierzig Jahre danach ist von Kritik oder gar Protesten gegen die heute als Zensus bekannte Volkszählung nichts mehr zu hören.

Woran das liegen könnte, ist kaum auszumachen. Ob die Menschen nach zwei Jahren Corona-Pandemie oder dem Krieg in der Ukraine gerade andere Sorgen haben? Ob sich die Bürgerinnen und Bürger mit der rasant voranschreitenden Digitalisierung längst daran gewöhnt haben, ihre Daten preiszugeben? Oder ist die Datensicherheit in diesem Fall schlechtweg gegeben?

Landesdatenschutzbeauftragter sieht keine Probleme

Zumindest Letzteres wird vom Landesdatenschutzbeauftragten in Baden-Württemberg, Stefan Brink, so gesehen. Er hat nichts am Zensus 2022 auszusetzen. "Der Zensus ist in puncto Datenschutz unproblematisch", sagt er. Da die Daten direkt in die Statistik eingefügt würden, lasse sich der direkte Personenbezug nicht mehr herstellen. Ohnehin sieht er sich als Datenschutzbeuaftragter "nicht mehr als Opposition zum Staat", sagt Brink. Dieser sei auf eine Fülle von Informationen angewiesen, um Fehlentwicklungen zu vermeiden.

Dabei geht es dem Staat neben der Erfassung der Einwohnerzahlen auch um den Familienstand, den Schul- und Hochschulabschluss oder die Branche, in der die Befragten arbeiten. Auch die Religionszugehörigkeit und ein möglicher Migrationshintergrund werden abgefragt. Diese Daten sollen laut Statistischem Bundesamt dann die Grundlage für künftige Planungen und Entscheidungen bilden. Daher wird auch die Zahl der Gebäude und Wohnungen mit in die Statistiken aufgenommen.

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Seit dem 16. Mai läuft die Volkszählung 2022. Dafür werden auch 1,7 Millionen zufällig ausgewählte Menschen in Baden-Württemberg zu ihrer Lebenssituation befragt.

Wegweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Klar ist im übrigen auch, dass die Vorraussetzen bei der geplanten groß angelegten Datenerhebung im Jahr 1983 völlig andere waren als heute. Maßgeblich dafür war und ist ein Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 15. Dezember 1983, das bis heute nachwirkt. Die Richter sahen die damalige Volkszählung teilweise als verfassungswidrig und stellten erstmals ein "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" der Bürgerinnen und Bürger fest. In der vier Jahre später nachgeholten Volkszählung wurden die Daten dann anonymisiert. Der Schutz der persönlichen Daten wurde somit deutlich verbessert.

Nach 1987 dauerte es weitere 24 Jahre bis wieder eine Volkszählung - im mittlerweile wiedervereinigten - Deutschland stattfand. Im Gegensatz zu 1987 wurde nicht mehr die gesamte Bevölkerung befragt, sondern nur noch zehn Prozent.

Zensus 2011: Klagen von Städten und Gemeinden

Laute Kritik kam aber erst im Nachgang auf, als die Ergebnisse veröffentlicht wurden. Jedoch klagten dieses Mal nicht die Bürgerinnen und Bürger, sondern zahlreiche Städte und Gemeinden. Bundesweit legten mehrere hundert Kommunen Widerspruch gegen den Zensus 2011 ein, da sie sich benachteiligt fühlten.

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Gerade in Baden-Württemberg beschwerten sich besonders viele Städte und Gemeinden, weil sie durch die Zählung auf dem Papier nicht nur zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, sondern damit auch enorme finanzielle Mittel verloren. In Heilbronn wurden etwa 7.500 Einwohnerinnen und Einwohner weniger erfasst als urspürnglich gedacht. Laut Oberbürgermeister Harry Mergel (SPD) entgingen der Stadt alleine zwischen 2014 und 2018 damit rund 20 Millionen Euro aus dem kommunalen Finanzausgleich.

Das erklärte er im SWR-Beitrag aus dem Jahr 2018:

Auch die Kommunen halten sich bislang mit Kritik zurück

Doch auch die Städte und Kommunen halten sich mit ihrer Kritik am Zensus 2022 bislang zurück. Städtetagsdezernent Norbert Brugger hofft, dass es diesmal keine Verwerfungen gibt wie 2011, als Haushaltsstichproben nur in Gemeinden ab 10.000 Einwohnern vorgenommen wurden. Er fordert die Bürgerinnen und Bürger sogar aktiv zur Teilnahme auf, da der Zensus für die Kommunen die Grundlage aller Planungen sei: "Mitmachen bedeutet, für eine gute Zukunft seiner Stadt zu sorgen."

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