Bauarbeiter arbeiten auf der Baustelle eines neuen Stadtquartiers in einer deutschen Großstadt.

Razavi über Inflation, Zinsdruck und mangelnde Verlässlichkeit

Wohnungsbauministerin hält Lage in Baden-Württemberg für schwierig

Stand
Interview
Gerald Pinkenburg

Stockender sozialer Wohnungsbau, schwierige Rahmenbedingungen - und weitere politische Unsicherheiten. Branchenverbände warnen vor den Folgen.

Der Wohnungsbau im Land könnte massiv zurückgehen. Davor haben Branchenverbände, Mieterbund und Gewerkschaften gewarnt. Sie haben sich auf dem Wohnungsbautag in Berlin getroffen. Sorgen bereiten der Branche die hohen Materialkosten und gleichzeitig stark gestiegene Bauzinsen. Manche Firmen hätten schon Kurzarbeit angemeldet, sagt Christian Staub vom Baugewerbeverband. Bis 2025 fordern die Verbände rund 50 Milliarden Euro Sondervermögen, um 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr bauen zu können. Die Bundesregierung hatte sich im Koalitionsvertrag den Bau von 400.000 Wohnungen festgelegt.

Probleme auch in Baden-Württemberg

Auch Baden-Württembergs Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen, Nicole Razavi (CDU), hält die Lage im Land für sehr schwierig: "Ich mache mir sehr große Sorgen, weil die Bedingungen seit einigen Monaten wirklich problematisch sind und wir eine wirklich giftige Mixtur erleben - auf der einen Seite aus schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, aber auch gerade unklaren politischen Voraussetzungen", sagte Razavi im SWR. Sie nannte gestiegene Zinsen, weggefallene Fördermöglichkeiten bei der KfW sowie die Inflation als größte Probleme im Bausektor.

"Unklare politische Voraussetzungen"

Die Bundespolitik schaffe mit der Verunsicherung um die Vorgaben beim Austausch von Heizungsanlagen eine zusätzliche Belastung. Seit Wochen gibt es Streit innerhalb der Regierung um das Thema Heizungsaustausch.

"Das ist wirklich Gift in der jetzigen Zeit."

Die Grünen wollen für mehr Klimaschutz möglichst strenge Vorgaben in ein Gesetz schreiben, während die SPD aus sozialpolitischen Gründen viel Wert auf Förderung und weniger strenge Regeln legt und die FDP die Finanzierbarkeit infrage stellt.

"Wir brauchen hier statt dem erhobenen Zeigefinger wirklich verlässliche Förderkonzepte und Anreize, die aber auch jeder versteht", sagt CDU-Politikerin Razavi. Daran scheitere die Ampel-Regierung aber: "Was jetzt vorliegt, ist aus meiner Sicht so kompliziert, dass sich viele einfach frustriert abwenden und sagen: Dann mache ich einfach gar nichts."

Fördermöglichkeiten in Baden-Württemberg

Die Wohnungsbauministerin verwies auf die landeseigene Förderung in Baden-Württemberg: "Wir tun in Baden-Württemberg alles, was in unserer Macht steht, um dagegenzuhalten. Zum Beispiel durch das stärkste Wohnraumförderprogramm, das wir je hatten mit einer Milliarde Euro im jetzigen Doppelhaushalt, indem wir die Bedingungen verbessern, weil niemand muss eine Sozialwohnung bauen. Das Angebot muss gut sein und schmecken." Alles müsse in dieser Situation auf den Prüfstand, was Bauen erschweren oder verhindern könne.

Die Förderangebote seien dabei für alle da, "für den kleinen, privaten Investor, der eine Wohnung zur Verfügung stellt, oder das große kommunale Wohnbauunternehmen, die Genossenschaft, den großen Bauträger also mit unserem Wohnraumförderprogramm erreichen wir alle und die große Nachfrage zeigt, dass wir damit auch wirklich auf den richtigen Weg sind".

Menschen mit Behinderung haben mit die größten Probleme eine Wohnung zu finden. Die Diakonie Stetten (Rems-Murr-Kreis) fordert, dass Baden-Württemberg wieder barrierefreie Wohnungen fördern soll:

Erstmals wieder mehr Sozialer Wohnungsbau in Baden-Württemberg

Im Jahr 2022 hat die Landesregierung 2167 geförderte Wohnungsneubauten gezählt. Das hatte Bauministerin Razavi Anfang des Jahres mitgeteilt. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 seien es 1956 gewesen. Für die Ministerin ist damit eine "Abwärtsspirale gestoppt".

Noch 2013 und 2015 sei das Fördervolumen in diesem Bereich noch bei rund 63 Millionen Euro pro Jahr gewesen. Knapp zehn Jahre später habe sich die Summe auf auf rund eine halbe Milliarde Euro erhöht.

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