Eigentlich ist der Regen ja heiß ersehnt - nach Wochen der Trockenheit und Hitze in Deutschland. Was nun aber auf Teile Baden-Württembergs zukommt, könnte des Guten zu viel sein.
Bis in die Nacht ist in der Bodenseeregion und in der Region Ostalb zeitweise mit Starkregen und Gewittern zu rechnen, teils mit Windböen mit bis zu 60 km/h. Von der Ostalb bis nach Oberschwaben rechne man gebietsweise mit um die 30 Liter Wasser pro Quadratmeter. Im Allgäu seien auch unwetterartige Mengen von bis zu 60 Litern pro Quadratmeter möglich, teilte ein Sprecher des DWD mit. In der Nacht zum Samstag ziehen die Regenfälle in Richtung Osten ab.
DWD warnt vor Überflutungen von Kellern und Straßen
Folgen der Unwetter könnten Überflutungen von Kellern und Straßen, Hochwasser in Bächen und Flüssen sowie Überschwemmungen von Straßen und Erdrutsche sein.
Bereits Überschwemmungen in Baden-Württemberg gemeldet
In den östlichen Landkreisen von Baden-Württemberg kam es bereits zu Überschwemmungen. Anhaltender Regen hat die Pegel der Flüsse steigen lassen. Zu Überschwemmungen kam es vor allem in den Kreisen Neu-Ulm und Ulm, aber auch im Alb-Donau-Kreis und im bayerischen Günzburg. Bei Vöhringen (Kreis Neu-Ulm) musste die Feuerwehr zwei Insassen aus einem Auto befreien, das in einer vollgelaufenen Unterführung feststeckte. Insgesamt gab es allein im Kreis Neu-Ulm bis zum Freitagnachmittag rund 30 Einsätze. Viele Keller liefen voll, auch eine Tiefgarage stand unter Wasser.
Regen hält nicht lange
Der Regen ist aber nicht von langer Dauer. Am Samstag ziehen von Westen nach Osten noch Schauer und Gewitter. Die Temperaturen betragen demnach bis zu 27 Grad am Rhein und 19 Grad im Bergland. Nur noch bewölkt und teilweise windig mit vereinzelt auch starken Böen zeigt sich das Wetter laut den Meteorologen am Sonntag. Die Temperaturen bleiben ähnlich hoch. Der Montag hält den Angaben nach wohl nur noch vereinzelt Regen bereit. Im Schwarzwald steigen die Temperaturen auf 21 Grad und auf bis zu 28 Grad im Nordosten des Landes. Auch die Bewölkung nimmt laut Vorhersage wieder ab.
Mühlbauer: Wetterlage derzeit "überraschend"
SWR-Wetterexperte und Diplom-Meteorologe Hartmut Mühlbauer hatte am Dienstag und Mittwoch schon für Donnerstag Starkregen vorhergesagt. Am Donnerstagmorgen zeigte er sich überrascht, dass das Tief "Karin" nicht den erhofften Weg über Baden-Württemberg fand, sondern östlicher weitergezogen ist. Dort sorgte es am Freitag insbesondere in der Alpenregion von Bayern für heftige Gewitter und Starkregen.
Im SWR1-Wettergespräch mit Moderatorin Petra Klein hat Mühlbauer erläutert, warum die Vorhersage derzeit schwierig ist:
Bodensee-Schiffsbetriebe fahren nach Regen Landestellen wieder an
Die Regenfälle im Süden zeigen erste Wirkung: Der aufgrund des Niedrigwassers eingeschränkte Verkehr der Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) wird wieder ausgeweitet. Aufgrund der geänderten Wetterlage mit starkem Regen und guter Pegelprognose sei es ab Samstag wieder möglich, die beiden Landestellen Iznang (Kreis Konstanz) und Mannenbach (Schweiz) anzufahren, teilte ein Sprecher der BSB am Freitag mit.
Da es an den Landestellen immer noch einen steilen Winkel der Zustiegsrampe gebe, sei es aber nicht möglich, Rollstuhlfahrer oder Fahrradfahrer mitzunehmen. Für sie sei ein sicherer Einstieg nicht gewährleistet. Erst am Donnerstag hatten die BSB mitgeteilt, dass die beiden Landestellen aufgrund des Niedrigwassers nicht mehr angefahren werden. Die Schweizer Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein fährt den Angaben nach alle Landestellen am Untersee an und nimmt dabei auch Fahrräder mit.
Niederschläge entspannen Niedrigwasserlage im Süden von BW
Wegen örtlich teils mehrstündigen Starkregens erwarteten die Fachleute der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) den Angaben zufolge am Freitag mancherorts sehr rasche und deutliche Wasserstandsanstiege. Betroffen seien voraussichtlich vor allem die östlichen Landesteile Oberschwaben, Allgäu und Ostalb.
In der Nordhälfte des Landes seien aber weiterhin kleinere und mittelgroße Fließgewässer als auch die großen Flüsse wie Neckar und Oberrhein von der Trockenheit betroffen. Eine nachhaltige Entspannung der Niedrigwasserlage in Baden-Württemberg ist laut der LUBW daher nicht in Sicht. Dafür wären länger andauernde und flächenhaft ergiebigere Niederschläge erforderlich.
Interview Wie passen wir unsere Wälder an den Klimawandel an?
Der Sommer 2022 war außergewöhnlich heiß – zumindest aus heutiger Sicht. In Zukunft aber werden Hitze und Dürre wohl zur Normalität. Das wirkt sich auch auf die Wälder aus.
Regenmangel und Bodenversiegelung lassen Grundwasserspiegel sinken
Aufgrund des Regens sei der Wasserstand in der Dreisam in Südbaden bereits um zehn Zentimeter angestiegen, sagt Ingo Kramer vom Landesfischereiverband. Die derzeitige Dürre habe dadurch aber noch nicht behoben werden können. Noch immer seien die Flüsse in Südbaden teilweise ausgetrocknet und führten zu wenig Wasser, so Ingo Kramer.
Die geringen Regenmengen reichen auch nicht aus, um das Grundwasser aufzufüllen. Das wenige Wasser wird zunächst von den ausgetrockneten Böden und den Pflanzen aufgenommen und ist längst aufgebraucht, bevor es den Grundwasserspiegel erreicht, erläutert Mühlbauer. Die Dürre hat Folgen für die Bäuerinnen und Bauern: Vor allem im Norden Baden-Württembergs beklagt der Landesbauernverband große Ernteausfälle. SWR-Umweltredakteur Werner Eckert warnt in diesem Zusammenhang allerdings davor, in der Landwirtschaft zuviel zu bewässern, denn auch das geschehe auf Kosten des Grundwasserspiegels.
Eine weitere Ursache ist die Bodenversiegelung. Auf asphaltierten und bebauten Flächen kann kein Wasser versickern. Es wird eher über Flüsse und Bäche abgeleitet, statt das Grundwasser aufzufüllen. Mühlbauer verweist außerdem auf die Höhenlagen in Baden-Württemberg wie Schwäbische Alb und Schwarzwald, wo die Kalkböden eine Speicherung des Wassers nicht zuließen. Der Hydrologe Tobias Schütz befürchtet mittel- bis langfristig Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung in einzelnen Gebieten wie etwa "in manchen Höhenregionen des Schwarzwalds, wo man von Gebirgsquellen abhängig ist, die immer häufiger versiegen".
Niedrigwasser an Flüssen und Seen wird zunehmen
Auch langfristig bereitet die Tendenz zu immer trockeneren Sommern Sorge. Zwar werden Flüsse und Bäche durch kräftige Regenfälle schneller wieder aufgefüllt als das Grundwasser, erläutert Eckert. Der Klimawandel sorge aber dafür, dass Schnee und Gletscher als Quellen für die Flüsse immer weniger Wasser lieferten. So sei in diesem Jahr das Wasser aus der Schneeschmelze ungewöhnlich früh versiegt, sagt Eckert. Bleibt das Schmelzwasser der Gletscher, das laut Eckert bei derartigem Niedrigwasser schon mal 15 bis 20 Prozent des Wassers in den Flüssen ausmacht und damit die Flüsse "am Leben erhält."
Mehr Verdunstung durch wärmere Sommer
Als weiteres Problem nennt Eckert die zunehmende Verdunstung, weil es immer wärmer wird. Selbst bei gleichbleibenden Niederschlägen verdunste dadurch mehr Wasser. Das mache die Trockenheiten schlimmer, Dürren nähmen zu.
Besorgnis auch in der Politik
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) informierte sich am Mittwoch auf einer Tagestour durch Baden-Württemberg über die Folgen des Klimawandels. Um das Land besser auf zu erwartenden Veränderungen einzustellen, plant die Landesregierung nach der Sommerpause einen "Strategiedialog Landwirtschaft".
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