Eigentlich sieht man Sibel Kekilli eher auf roten Teppichen, zuletzt bei der Eröffnung der Berlinale. Am Sonntag wird die 41 Jahre alte Schauspielerin aber den Bundespräsidenten mitwählen. Kekilli - hierzulande vor allem aus dem Film "Gegen die Wand" und als frühere Tatort-Kommissarin bekannt - hat auch die Rolle der "Shae" in der internationalen Erfolgsserie "Game of Thrones" gespielt. Jetzt steht der gebürtigen Heilbronnerin eine neue Rolle bevor: Als Wahlfrau für Bündnis 90/Die Grünen in der 17. Bundesversammlung.
Und sie ist in bester Gesellschaft: Aus Baden-Württemberg kommen zahlreiche Promis, die am Sonntag den Bundespräsidenten wählen. Darunter der Astronaut Alexander Gerst, die Musikerin Joy Denalane, Fußball-Bundestrainer Hansi Flick, SC-Freiburg-Coach Christian Streich und der Schriftsteller Saša Stanišić.
Da reibt man sich angesichts der schwäbisch-badischen Promi-Dichte die Augen und fragt sich: Wie kommen eigentlich die Stars zur Bundespräsidenten-Wahl?
Folgende Prominente aus Baden-Württemberg dürfen mitwählen:

Drei Kandidaten stehen zur Bundespräsidenten-Wahl
Ausgangspunkt ist das Grundgesetz. In Artikel 54 Absatz 1 heißt es wörtlich: "Der Bundespräsident wird ohne Aussprache von der Bundesversammlung gewählt."
Die Bundesversammlung tritt nur zu einem einzigen Zweck zusammen, nämlich einen Bundespräsidenten zu wählen. Mehrere Kandidaten und Kandidatinnen treten dieses Mal an: Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier, der von SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP unterstützt wird. Für die Linke geht der Arzt Gerhard Trabert ins Rennen, die AfD hat den Ökonomen und Publizisten Max Otte nominiert. Stefanie Gebauer, Astrophysikerin, tritt auch gegen Steinmeier an - für die Freien Wähler.
Die Bundesversammlung besteht aus den 736 Mitgliedern des Bundestages und ebenso vielen Wahlfrauen und Wahlmännern, die die Volksvertretungen der 16 Bundesländer bestimmen.
Baden-Württemberg schickt 94 Mitglieder zur Wahl
Der Landtag von Baden-Württemberg entsendet 94 Mitglieder in die Bundesversammlung. Diese werden von den Fraktionen vorgeschlagen. "Die Fraktionen Grüne, CDU und AfD haben jeweils eigene Vorschlagslisten vorgelegt, SPD und FDP/DVP eine gemeinsame", teilt die Landtagsverwaltung mit. Am 22. Dezember 2021 habe der Landtag seine 94 Mitglieder der Bundesversammlung gewählt.
Und das funktioniert so: "Es gibt keinen Verteilungsschlüssel, es handelt sich um eine 'echte' Wahl", erklärt eine Sprecherin des Landtags Baden-Württemberg. "Das heißt, es kommt darauf an, wie viele Abgeordnete tatsächlich gewählt haben und wie viele Stimmen auf die einzelnen Vorschlagslisten entfallen sind."
Der Landtag von Baden-Württemberg hat 154 Mitglieder. Bei der Wahl am 22. Dezember 2021 seien 148 Stimmen abgegeben worden, so die Sprecherin. Davon entfielen auf die Vorschlagsliste der Grünen-Fraktion 54 Stimmen. Die Vorschlagsliste der Fraktion der CDU hat 40 Stimmen erhalten. Die Vorschlagsliste der SPD und der FDP/DVP hat 39 Stimmen erhalten. Auf die Vorschlagsliste der AfD-Fraktion entfielen 15 Stimmen. Es gab keine Stimmenthaltungen und keine ungültigen Stimmen. Auf Grundlage dieses Wahlergebnisses würden nach dem d'Hondtschen Höchstzahlverfahren die auf die Vorschlagslisten entfallenden Sitze errechnet: Grüne 35 Sitze, CDU 25 Sitze, SPD und FDP/DVP 25 Sitze sowie AfD 9 Sitze.
Wieso dürfen Prominente mitwählen?
So weit, so kompliziert. Bleibt die Frage, warum die Fraktionen nicht nur Politiker in die Bundesversammlung schicken, sondern auch prominente Schauspielerinnen wie Sibel Kekilli oder Fußballtrainer wie Hansi Flick.
Flick wurde von der CDU nominiert, Kekilli und Gerst von den Grünen. "Wichtig war uns Grünen, dass sich die Liste unserer Wahlleute aus allen relevanten gesellschaftlichen Bereichen zusammensetzen - von der Politik über Wirtschaft, Kunst und Kultur bis zum Sport oder Vorbildern im Zusammenhang mit den Krisen unsere Zeit, der Klima- und Coronakrise", sagt ein Fraktionssprecher der Grünen im baden-württembergischen Landtag. "Im Vorfeld waren unsere Abgeordneten in das Vorschlagsverfahren eingebunden. Sie konnten Kandidatinnen und Kandidaten benennen, die für Baden-Württemberg als Stellvertreter nach Berlin fahren sollten - wichtig war hier, dass ein BW-Bezug vorliegt." Anschließend seien die Vorschläge in einer Fraktionssitzung diskutiert und die Wahlleute nominiert worden.
Abgeordnete können Vorschläge machen
Ähnlich war es bei der CDU. "Bei der Sammlung von Ideen bekannter Persönlichkeiten haben wir die gesamte Fraktion mit eingebunden", so ein Sprecher. Jede und jeder Abgeordnete habe Vorschläge machen können. "So wurden viele interessante Vorschläge an den Fraktionsvorstand herangetragen. Aus der Vielzahl toller Vorschläge wurde unter Berücksichtigung der unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereiche dann eine Auswahl getroffen." Gewählt wurden neben Flick unter anderen die Tübinger Ärztin Lisa Federle, der Speerwerfer Johannes Vetter oder die Buchautorin und Moderatorin Gaby Hauptmann.
Nachdem sich die CDU-Fraktion einig war, wen sie in die Bundesversammlung schicken will, ist Fraktionschef Manuel Hagel persönlich aktiv geworden und hat die Vorgeschlagenen gefragt, ob sie bereit seien: "Teilweise geschah das durch ein Telefonat, teilweise auch bei persönlichen Treffen", so der Sprecher. "Alle vom Fraktionsvorstand ausgewählten Kandidaten haben direkt zugesagt und sich sehr gefreut. Sie empfinden die Teilnahme an der Bundesversammlung als ein großes Privileg."
Gratulationen zur zweiten Amtszeit des Bundespräsidenten Breite Zustimmung in der Region zur Wiederwahl Steinmeiers
Die Wiederwahl von Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident ist auch in der Ulmer Region und in Ostwürttemberg auf breite Zustimmung gestoßen. Kritik gab es jedoch von der AfD.
Bundespräsident stellt sich Wahlleuten vor
Unvorbereitet wird übrigens niemand den Bundespräsidenten wählen. "Zwei Tage vor der Wahl stellt sich der Bundespräsident den Wahlleuten der Grünen-Fraktionen als Kandidat in einer virtuellen Sitzung vor", so der Sprecher der Grünen-Fraktion. Tags darauf finde ein Empfang für einen kleinen Teil der baden-württembergischen Delegierten statt (nur 50 Personen wegen Corona).
"Am Sonntagmorgen gibt es im Bundestag dann einen Zählappell der grünen Fraktion für die von den grünen nominierten Wahlleute." Auch die CDU kümmert sich um ihre Wahlleute: "Die gesamte Organisation übernimmt die Geschäftsstelle der CDU-Fraktion. So können sich die Wahlmänner und Wahlfrauen am Sonntag ganz auf ihre wichtige Aufgabe für unsere Demokratie konzentrieren. Sie werden von Mitarbeitern der Geschäftsstelle vom Abreiseort vor Ort in Berlin und bis zur Rückkehr in Stuttgart am späten Sonntagabend begleitet."