Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (l, Bündnis 90Die Grünen) besucht die Albkaserne. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Silas Stein)

Russische Invasion

Waffenlieferungen an die Ukraine - Uneinigkeit bei den Grünen in Baden-Württemberg

Stand

Ministerpräsident Kretschmann glaubt, man hätte schon früher schwere Waffen an die Ukraine liefern müssen. Verkehrsminister Hermann hält dagegen - Uneinigkeit bei den Grünen.

Die Lieferung von Waffen sei unabdingbar, sagte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Montag beim Besuch der Albkaserne in Stetten am kalten Markt. Mit Blick auf Kritik an den Waffenlieferungen und pazifistische Stimmen in seiner eigenen Partei, sagte der Ministerpräsident der Deutschen Presse-Agentur (dpa), er selbst sei kein Pazifist. Und auch der Staat könne nicht pazifistisch sein. Dieser müsse die Bürgerinnen und Bürger schützen. Mit Bezug auf den Begriff schwere Waffen und die anhaltende Debatte darum befand Kretschmann, es sei vor allem wichtig, dass man wirksame Waffen liefere.

Der Kommandeur des Landeskommandos, Oberst Thomas Köhring, zeigte dem Ministerpräsidenten in der Albkaserne mehrere Panzer und anderes schweres Gerät - darunter auch die Panzerhaubitze 2000, von der 16 in Stetten stationiert sind.

Die Bundesregierung hatte am Freitag verkündet, der Ukraine sieben Panzerhaubitzen 2000 zu liefern. Die Panzerhaubitze ist ein schweres Artilleriesystem mit einer Kanone auf einem Kettenfahrzeug und ähnelt damit einem Panzer.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (M, Bündnis 90Die Grünen) besucht die Albkaserne. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Silas Stein)
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) besuchte die Albkaserne.

Kretschmann übte Kritik an zaghaften Waffenlieferungen aus dem Bund

Kretschmann übte bei seinem Besuch auch Kritik am Umgang der Bundesregierung mit Waffenlieferungen an die Ukraine. Diese seien im Großen und Ganzen gut gelaufen. Doch die Lieferungen hätten schneller gehen und man hätte früher damit anfangen können, sagte der Grünen-Politiker. Zugleich dankte Kretschmann den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr für ihren Einsatz, mit dem sie zuletzt in der Pandemie eine unersetzliche Hilfe geboten hätten.

Kretschmann sei bereits selbst als Soldat in Stetten gewesen, erzählte der Grünen-Politiker. Im Amt des Ministerpräsidenten war er zum ersten Mal an dem Bundeswehrstandort zu Besuch. Dort sind rund 3.200 Soldatinnen und Soldaten sowie zivile Beschäftigte stationiert.

Parteiintern Gegenwind: Grüne sind auch anderer Meinung

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), der dem linken Parteiflügel angehört und sich als Pazifist bezeichnet, lehnt die Entscheidung der Bundesregierung für eine Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine ab. Damit widersprach er gezielt Kretschmanns Äußerungen in Stetten. Hermann sei der Meinung, dass "mit mehr Waffen mehr Gewalt und Gegengewalt entstehen kann", sagte der Minister der dpa in Stuttgart.

Er räumte ein, es sei eine "Dilemmasituation, wo es keinen befriedigenden Ausweg gibt". Doch er sei sich sicher: "Es ist nicht friedensförderlich." Panzer seien keine "Verteidigungsfahrzeuge".

Hermann zeigt sich verwundert über die Stimmung in der Politik

Winfried Hermann wundere sich, wie die Stimmung in der Politik in der Frage der Waffenlieferungen innerhalb weniger Wochen "komplett gekippt" sei. Der Minister sagte, es sei ihm wichtig, "deutlich zu machen, dass es innerhalb der Grünen immer noch Menschen gibt, die eine andere Haltung haben und militärkritischer sind". Der 69-Jährige fügte hinzu, er sei ganz bei den Autorinnen und Autoren des offenen Briefs an Kanzler Olaf Scholz (SPD) von Ende April.

Darin wird der Kanzler aufgefordert, nicht noch mehr schwere Waffen an die Ukraine zu liefern. Zu den 28 Erstunterzeichnern gehören die Feministin Alice Schwarzer, der Sänger Reinhard Mey, der Schriftsteller Martin Walser und der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar. Der offene Brief wurde auf der Website des Magazins "Emma" veröffentlicht, jede und jeder kann ihn unterzeichnen.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der zum Realoflügel der Grünen gehört, hatte die Verfasser des offenen Briefs hart kritisiert. "Es ist ein Irrtum, zu glauben, wir könnten Putin durch rationale Argumente oder Zurückhaltung bei Waffenlieferungen beeinflussen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Er finde es auch gut, "dass die Intellektuellen sich einmischen". Trotzdem müsse er sagen: "Dafür, dass es Intellektuelle unterschrieben haben, hätten sie sich schon ein bisschen mehr anstrengen können. Die Argumentation ist arg platt."

Baden-Württemberg

Debatte über Waffenlieferungen "Arg platt" - Kretschmann kritisiert Intellektuellen-Brief zu Ukraine-Krieg

Ministerpräsident Kretschmann kritisiert den offenen Brief in der "Emma". Er selbst bereut, sich nicht früher öffentlich für Waffenlieferungen ausgesprochen zu haben.

"Diskussionsforum" zur Waffenfrage

In so einer wichtigen Frage, in der auch die Bevölkerung gespalten sei, sei es die Aufgabe der Medien und aller Parteien, diesen Diskurs anzubieten. Hermann, der in seiner Zeit im Bundestag auch gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan gestimmt hatte, sagte zu dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine: Seine Hauptkritik sei, dass nach Ende der Ost-West-Konfrontation und dem Ende des Warschauer Pakts versäumt worden sei, "eine neue Friedensarchitektur aufzubauen". Der Grünen-Politiker Hermann forderte seine Partei auf, den Diskurs über diese Frage zu öffnen. Die Landespartei wolle hierzu ein "Diskussionsforum" machen.

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