Die AfD in Baden-Württemberg ist vom Landesverfassungsschutz als sogenanntes Beobachtungsobjekt eingestuft worden. Damit darf der Verfassungsschutz nachrichtendienstliche Mittel einsetzen, wie etwa die verdeckte Beschaffung von Informationen. "Die AfD in Baden-Württemberg wird fortan vom Verfassungsschutz beobachtet", so Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für 2021.
Das Statement von Innenminister Strobl im Video:
AfD kündigt juristische Schritte an
AfD-Co-Parteichefin Alice Weidel hat juristische Schritte dagegen angekündigt. "Die Einstufung der AfD Baden-Württemberg als Beobachtungsobjekt ist vollkommen ungerechtfertigt und ein reiner Willkürakt", sagte Weidel, die derzeit auch noch AfD-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg ist. Die AfD als regierungskritische Oppositionspartei solle offensichtlich mundtot gemacht werden, so Weidel.
Die Entscheidung, dass die AfD künftig vom Verfassungsschutz in Baden-Württemberg beobachtet wird, kommt zwei Tage vor dem Landesparteitag in der Messe Stuttgart. Dort soll eine neue Führungsspitze gewählt werden.
Verfassungsschutz: Extremistische Strömungen innerhalb der AfD
Anlass für die Beobachtung seien extremistische Strömungen innerhalb der AfD, wie die Junge Alternative und der formal aufgelöste "Flügel", sagte Beate Bube, die Präsidentin des Landesamtes für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg. Diese extremistischen Kräfte stießen auf nennenswerte Unterstützung in der gesamten Landespartei.
Unter anderem gehe es um den dort vertretenen ethnisch homogenen Volksbegriff, der im Widerspruch zu zentralen Grundprinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehe, ergänzte Innenminister Strobl.

Land folgt dem Bundesamt für Verfassungsschutz
Bisher wurden in Baden-Württemberg nur die Nachwuchsorganisation Junge Alternative und der rechtsnationale "Flügel" der Partei beobachtet. Mit der jetzigen Entscheidung folgt der Geheimdienst in Baden-Württemberg dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Dieser hat die AfD als Gesamtpartei als Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus eingestuft. Der baden-württembergische AfD-Landesverband könne nicht isoliert vom Bundesverband betrachtet werden, betonte Strobl.
Das Kölner Verwaltungsgericht hatte im März eine Klage der AfD gegen die Einstufung als Verdachtsfall zugunsten des Bundesverfassungsschutzes entschieden. Es gebe ausreichende Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei, hatte das Gericht argumentiert. Baden-Württembergs Innenminister Strobl begrüßte diese Entscheidung damals, während die AfD beim Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster Berufung einlegte. Mit Verweis auf die Gerichtsurteile auf Bundesebene sagte Strobl am Donnerstagabend bei "Zur Sache Baden-Württemberg" im SWR, dass er davon ausgehe, dass es sich auch in Baden-Württemberg um eine rechtssichere Entscheidung handle.
Politikwissenschaftler: Beobachtung könnte für Umdenken sorgen
Dass die baden-württembergische AfD künftig vom Verfassungsschutz beobachtet werden soll, könnte für ein Umdenken bei der Anhängerschaft der Partei sorgen. Das vermutet Michael Wehner, Politikwissenschaftler von der Landeszentrale für politische Bildung, im Interview mit dem SWR am Donnerstagabend. Als nächsten Schritt nennt er ein mögliches Parteiverbotsverfahren.
In der SWR Sendung "Zur Sache Baden-Württemberg" sagte Innenminister Strobl, dass ein solches Parteiverbotsverfahren derzeit nicht im Raum stehe. Die Beobachtung könne aber durchaus Folgen haben: "Das Ergebnis könnte sein, dass die AfD als eine verfassungswidrige Partei eingestuft wird. Das hätte dann schon Auswirkungen", so Strobl.
AfD in Baden-Württemberg zeigt sich "verwundert"
Der baden-württembergische AfD-Fraktionschef Bernd Gögel sagte, die AfD sei verwundert, dass die Einstufung als Beobachtungsobjekt zwei Tage vor dem Parteitag komme, obwohl das Verfahren vor dem OVG Münster noch gar nicht ausgeurteilt sei. "Insofern ist für uns rätselhaft, wie das Landesamt in Baden-Württemberg zu neuen Erkenntnissen gekommen ist - die uns noch gar nicht vorliegen", so Gögel. Für die AfD liege der Verdacht nahe, dass mit der Beobachtung die regierungskritischste Partei beschädigt werden soll, erklärte er.
Innenminister Strobl hingegen sagte im SWR Interview, dass der Zeitpunkt damit zusammenhänge, dass die Urteilsbegründung auf Bundesebene zu einem späteren Zeitpunkt als das Urteil gekommen sei. Der Landesverfassungsschutz habe diesen "sorgfältig ausgewertet" und sei dann zu einer Entscheidung gekommen.
Zustimmung zur Entscheidung von Grünen, CDU und SPD
Für konsequent und richtig hält der innenpolitische Sprecher der Grünen, Oliver Hildenbrand, die Entscheidung. Es gebe zahlreiche Anhaltspunkte für demokratie- und verfassungsfeindliche Bestrebungen der Partei. Rechtsextreme und rassistische Positionen seien fester Bestandteil ihres Programms. Für CDU-Generalsekretärin Isabell Huber verbreitet die AfD Hass und Hetze, was in einer Demokratie keinen Platz habe. Aus Sicht der größten Oppositionspartei SPD steht die AfD nicht auf dem Boden der Verfassung. Die Entscheidung, die AfD auch in Baden-Württemberg zu beobachten, sei längst überfällig, hieß es.