Schwerkranke Patienten mit dem Wunsch nach selbstbestimmtem Sterben haben nach einem Urteil kein Anrecht auf ein todbringendes Medikament. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster in Nordrhein-Westfalen am Mittwoch entschieden und damit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln bestätigt. Bereits in der Vorinstanz wurden die Klagen von drei schwerkranken Klägerinnen und Klägern aus Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Baden-Württemberg abgewiesen.
Diese beriefen sich auf vorausgehende Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts sowie ihr verfassungsrechtlich gewährleistetes Persönlichkeitsrecht, das auch ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben einschließe. Vor zwei Jahren hatte das Bundesverfassungsgericht das Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe aufgehoben. Nicht neu geregelt ist bisher allerdings der Zugang zu Betäubungsmitteln für Menschen mit Sterbewunsch. Also Menschen, die sich das Mittel zur Selbsttötung nicht von jemand anderem verabreichen lassen, sondern dieses selbst einnehmen wollen.
Krebskranke Frau aus Baden-Württemberg unter den Klagenden
Eine 69-jährige Frau aus dem Kreis Schwäbisch Hall, die seit zehn Jahren mit einem bösartigen Tumor im Bauch lebt, ist unter den Klägern. Nach neun Operationen sei sie am Ende ihrer Kräfte, sagte ihr Anwalt Robert Roßbruch dem SWR. Vor knapp zwei Jahren hatte seine Mandantin einen Antrag beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn gestellt: Darin bat sie um die Erlaubnis, eine tödliche Dosis des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital erwerben zu dürfen. Nun ist sie bereits in zweiter Instanz vor Gericht mit ihrem Anliegen gescheitert.
Zugang zu tödlichem Medikament - Klage abgelehnt Frau aus Kreis Schwäbisch Hall kämpft um selbstbestimmten Tod
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat die Klage einer Frau aus dem Kreis Schwäbisch Hall abgelehnt. Die schwer kranke Frau hatte gemeinsam mit anderen geklagt - für den Zugang zu einem todbringendem Medikament.
Klägeranwalt: Gehen bis in die letzte Instanz
Robert Roßbruch, Anwalt der Klägerinnen und Kläger in dem bundesweit beachteten Verfahren, hatte im Vorfeld angegeben, mit einem Scheitern vor dem OVG zu rechnen und angekündigt, bis zur letzten Instanz gehen zu wollen. Er sehe für seine schwerkranken Mandanten keine andere Möglichkeit, als "vor den Verwaltungsgerichten letztinstanzlich zu obsiegen". Denn:
„Einen zur Suizidassistenz bereiten Arzt zu finden, ist äußerst unwahrscheinlich. Daher muss einem schwerkranken Suizidwilligen die Möglichkeit eröffnet werden, eine letale Dosis eines Betäubungsmittels legal in einer Apotheke erwerben zu können."
Oberverwaltungsgericht: Schwierige ethische Fragen
Gudrun Dahme, Vorsitzende Richterin in dem Verfahren, sprach zum Auftakt der mündlichen Verhandlung von schwierigen Fällen. "Allerdings nicht unbedingt rechtlich. Wir haben es hier mit schwierigen ethischen Fragen zu tun", sagte Dahme. "Wir müssen aber juristisch entscheiden und sind kein Ethikrat", so die Richterin.
Dabei gehe es neben dem Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben um die Abwägung der Suizidprävention und ein Vorbeugen des Missbrauchs von Betäubungsmitteln. Der staatliche Schutz des Lebens stehe im Gegensatz zum Grundrecht auf Sterben.
Das OVG hält es laut seiner Urteilsbegründung mittlerweile in Deutschland für möglich, mit Hilfe eines Arztes oder Sterbehilfeorganisationen aus dem Leben zu scheiden. Das gelte auch für die Kläger. Eine Erlaubnis zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital durch das BfArM lehnte das Gericht mit der Begründung ab, laut Betäubungsmittelgesetz sei eine solche Erlaubnis nicht möglich. Der Gesetzgeber habe im Gesetz nicht die Nutzung eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung gemeint, sondern nur zur Heilung von Krankheiten oder Beschwerden.
Zugang zu tödlichen Substanzen Jurist zu Selbsttötung: "Es ist eine moralische Frage, eine Frage der Menschlichkeit"
Haben schwerkranke Menschen ein Recht auf ein Medikament zur Selbsttötung? Ja - meint ein schwerkranker Mann aus Rheinland-Pfalz und streitet deshalb vor Gericht. Worum es in dem Verfahren genau geht - und worum nicht.
Das OVG äußerte sein Bedauern, dass der Bundestag bislang noch kein Gesetz vorgelegt habe, um das Problem grundsätzlich zu regeln. "Aber weil der Bundestag nicht tätig geworden ist, kann daraus kein Erlaubnisanspruch abgeleitet werden", sagte Dahme in der Urteilsbegründung. Eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig - der nächsthöheren Instanz - ließ das OVG zu.