Studierende mit Mund- und Nasenmaske sitzen in einem Hörsaal der Universität Hohenheim in Baden-Württemberg. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow)

SPD spricht von Alarmzeichen

Trotz Lehrermangel: Unbesetzte Studienplätze an Pädagogischen Hochschulen in BW

Stand

In Baden-Württemberg fehlen Lehrkräfte. Und trotzdem blieben 2021 viele Studienplätze an den Pädagogischen Hochschulen unbesetzt. Die SPD sieht die Landesregierung in der Pflicht.

Im vergangenen Jahr sind an den Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg 54 Studienplätze unbesetzt geblieben. Das geht aus einer Antwort des Kultusministeriums auf eine Anfrage der SPD hervor, die dem SWR exklusiv vorliegt. Dabei werden überall händeringend Lehrerinnen und Lehrer gesucht.

SPD: Unbesetzte Studienplätze sind Alarmzeichen

Die SPD Baden-Württemberg kritisiert die Landesregierung: Sie strenge sich zu wenig an, um für mehr Lehrkräftenachwuchs zu sorgen. Es sei ein Alarmzeichen, wenn 54 Studienplätze unbesetzt blieben. Laut Kultusministerium handelt es sich bei den betroffenen Pädagogischen Hochschulen um die beiden Standorte Ludwigsburg und Weingarten.

Allerdings seien nur die Studiengänge für weiterführende Schulen, also Haupt- und Realschulen sowie Gemeinschaftsschulen, betroffen. Als Grund vermutet das Kultusministerium, dass viele Studienanfängerinnen und -anfänger sich mehrfach beworben und dann für Hochschulen in anderen Bundesländern entschieden hätten.

Die SPD erklärt dagegen: Der Mangel an Bewerberinnen und Bewerbern könnte auch an mangelnder Wertschätzung für junge Lehrkräfte liegen. Denn junge Referendarinnen und Referendare würden nicht direkt in den Schuldienst übernommen, sondern zunächst in die Arbeitslosigkeit entlassen. Die SPD will das ändern - laut Kultusministerium würde eine Verlängerung des Referendariats bis zur Einstellung in den Schuldienst aber etwa 10,2 Millionen Euro kosten.

Deutlich weniger Bewerbungen auf Lehramt auch in Freiburg

Auch in Freiburg gebe es dieses Jahr 30 Prozent weniger Bewerbungen auf die Lehramtsstudiengänge als im Vorjahr. Das teilt die Pädagogische Hochschule Freiburg dem SWR mit. Im Studiengang für das Lehramt der Sekundarstufe Eins an Hauptschulen, Werkrealschulen und Realschulen könnten erstmals Plätze unbesetzt bleiben, sagt Patricia Schaumann, Leiterin des Studierendensekretariats: "Wir hatten das noch nie und werden sehen, was das Ministerium dann unternimmt." Für das Lehramt an der Grundschule sei das Interesse größer. Mit dem Nachrückverfahren könnten die 255 Plätze voraussichtlich gefüllt werden.

Am 14. Juli 2022 berichtete SWR Aktuell Baden-Württemberg über die vielfältigen Gründe für den Lehrkräftemangel:

Keine genauen Zahlen über ausgebildete Referendare

Die SPD mahnt außerdem genauere Zahlen zum Verbleib von Referendarinnen und Referendaren an. Sie will wissen, wie viele in den letzten fünf Jahren in Baden-Württemberg ausgebildet wurden und wie viele tatsächlich hier unterrichten.

Laut Kultusministerium werden diese Daten jedoch nicht erfasst. Was sicher gesagt werden kann: Im Jahr 2021 wurden insgesamt 3.657 Referendarinnen und Referendare eingestellt, die ihr Lehramtsstudium in BW abgeschlossen haben.

Philologenverband forderte 1.000 zusätzliche Lehrkräfte

Das Thema Lehrkräftemangel in Baden-Württemberg reißt nicht ab. Ministerpräsident Kretschmann schlug erst vor einigen Wochen vor, dem Mangel an Lehrpersonal mit einer Vergrößerung der Klassen zu begegnen - und erntete dafür unter anderem vom Philologenverband in Baden-Württemberg heftige Kritik.

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Landesverbandschef Ralf Scholl sagte, der Regierungschef sei bereits im Frühjahr aufgefordert worden, über einen Sonder- oder Nachtragshaushalt Mittel freizusetzen, um rund 1.000 zusätzliche Lehrkräfte gewinnen zu können.

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