Marion Gentges (CDU), Ministerin der Justiz und für Migration Baden-Württemberg (Archivfoto) (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Marijan Murat (Archivfoto))

Interview mit Ministerin Gentges

Verteilung, Unterbringung, Bildung: So will BW mit Geflüchteten aus der Ukraine umgehen

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Stefanie Germann

Was plant Baden-Württemberg für die Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine? Das erläutert die Ministerin für Justiz und Migration, Marion Gentges, im Interview mit dem SWR.

SWR: Die Bundespolizei hat derzeit 207.000 Geflüchtete aus der Ukraine registriert, wobei die tatsächliche Zahl höher sein dürfte, weil Ukrainer kein Visum brauchen und es keine Kontrollen an den Binnengrenzen gibt. Können Sie uns einen aktuellen Stand geben, wie viele Geflüchtete aus der Ukraine derzeit bei uns in Baden-Württemberg angekommen sind?

Marion Gentges: In den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes sind bislang knapp 7.000 Menschen aus der Ukraine angekommen. Tatsächlich ist die Zahl derer, die in Baden-Württemberg Schutz gefunden haben, deutlich höher. Viele sind bei Freunden, bei Verwandten untergekommen oder von privaten Initiativen untergebracht worden.

Die Menschen, die jetzt zum Beispiel in den Messehallen sind, die sollen schnellstmöglich verteilt werden. Aber wie geht das konkret? Suchen Sie Wohnungen und bezahlen die Wohnungen dann für die Menschen? Wie muss man sich die Praxis der Flüchtlingsverteilung vorstellen?

Die Flüchtlingsverteilung aus den Erstaufnahmeeinrichtungen funktioniert so, dass wir entsprechend der Einwohnerstärke der einzelnen Stadt- und Landkreise Flüchtlinge weitergeben. Dabei berücksichtigen wir auch, wie viele Geflüchtete dort schon vor Ort sind. Das ist ziemlich kompliziert, weil nicht alle registriert sind.

Wie wichtig sind Privatinitiativen?

Die Privatinitiativen sind tatsächlich wichtig, sie haben viele Menschen untergebracht. Für uns ist nun wichtig, dass die so untergekommenen Menschen möglichst rasch registriert werden, damit sie Leistungen beziehen können, damit wir sie bei der Verteilung berücksichtigen können und damit wir auch wissen, wer hier wo bei uns ist.

Das Interview mit Ministerin Gentges im Video:

Eine Sorge war, man dürfe die Geflüchteten aus anderen Ländern, also aus Syrien zum Beispiel, jetzt nicht wie Flüchtlinge zweiter Klasse behandeln. Wie sehr ist die Sorge Ihrer Meinung nach berechtigt?

Die Flüchtlinge aus anderen Ländern haben einen anderen Rechtsstatus. Sie durchlaufen bei uns ein Asylverfahren. Die Kriegsvertriebenen aus der Ukraine können zum einen visumsfrei für bis zu 90 Tage einreißen, und können zum anderen über die sogenannte Massenzustromsrichtlinie der Europäischen Union als Kriegsgeflüchtete hierherkommen und haben damit einen völlig anderen Rechtsstatus.

Sie können auch arbeiten zum Beispiel.

Sie können auch arbeiten, sie können sich eine Wohnung nehmen, sie erhalten medizinische Versorgung und haben auch Zugang zu Bildung.

Das sind jetzt überwiegend Frauen mit Kindern. Kinder, die auch in die Schule müssen, oder in den Kindergarten. Inwiefern haben Sie in Ihrem Ministerium da Pläne mit dem Kultusministerium entwickelt? Denn das wird in den nächsten Monaten auf uns zukommen.

Das ist in der Tat richtig. Die Menschen haben das Recht auf Zugang zu Bildung. Die Frage ist, wie wir das organisieren. Die Schulpflicht setzt im Grunde erst nach sechs Monaten ein, aber für viele Kinder wird es wichtig sein auch Alltag zu erleben, abgelenkt zu werden, eine Tagesstruktur zu bekommen. Und da ist die Frage: schaffen wir das in den vorhandenen Strukturen oder müssen wir auch andere Möglichkeiten der Kinderbetreuung und der Unterrichtung schaffen.

Aber da sind Sie dran. Vielen Dank für das Gespräch, Marion Gentges.

Sehr gerne.

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