Nevzat Salim sitzt auf seinem großen blau-beigen Sofa in seinem Haus in Dietenheim-Regglisweiler (Alb-Donau-Kreis) und holt alte Fotos hervor. Ein schwarz-weiß-Bild zeigt einen silber-glänzenden Drehspieß mit einem langen Stromkabel. Aufgebaut hat Salim die Dönermaschine unter freiem Himmel auf dem Stadtfest in Reutlingen im Jahr 1969.
In der Türkei gab es Döner schon lange. Aber das Fleisch wurde immer als Tellergericht serviert. Nevzat Salim aber hat Döner in der Semmel angeboten. Die Geburtsstunde des Döners, so wie wir ihn kennen, behauptet Salim. Das hat für ziemlichen Wirbel gesorgt: "Glauben Sie mir, da waren zwei Reihen, 30 Meter lang. Alle warteten ungeduldig. Und sie wussten nicht, was das ist." Man sprach von türkischem "Leberkäs", erzählt Salim. Umgekehrt wusste der Türke seinerzeit mit diesem Wort gar nichts anzufangen.
In Berlin wurde Döner 1972 angeboten, in Reutlingen schon 1969
Berliner Zungen behaupten, der Döner sei eine Berliner Erfindung. Der Verein türkischer Dönerhersteller in Europa, ATDiD, etwa benennt Kadir Nurman, der 1972 in Berlin als erster das Fleisch in einen Fladen steckte.
Nevzat Salim hält dagegen: Er habe den ersten Döner eben schon 1969 angeboten - also drei Jahre früher als die Berliner "Konkurrenz". Im Berlin des Kalten Krieges hätte laut Salim der Döner nie seinen Siegeszug über ganz Deutschland antreten können. Mit dem Kühlwagen über die deutsch-deutsche Grenze mit all den Kontrollen? Äußerst unwahrscheinlich, meint Salim: "Ja, Berliner, tut mir sehr leid. Das ist nicht möglich, dass die Berliner den Döner in Deutschland erfunden haben."
Kein Stadtfest in Reutlingen im Jahr 1969 nachweisbar
Der ultimative Beweis steht indessen noch aus: Die Nachfrage beim Stadtarchiv Reutlingen spricht nicht für Nevzat Salim: Stadtfeste gab es dort erst ab 1977, heißt es. Stadtfeste im Jahr 1969 hingegen lassen sich nicht nachweisen. Trotzdem können sie stattgefunden haben, aber eben ohne, dass dies dokumentiert wäre.
So oder so, Salim ist sich "zu 99 Prozent sicher", dass er der Erfinder des Döners im Brötchen ist. Ganz sicher ist er sich, dass der Döner der heutigen Zeit nicht mehr viel mit dem türkischen Original zu tun hat. Das ganze kalte Zeugs wie Joghurt und Salat gehört da nicht rein, sagt er. Er bezeichnet das, was heute überall angeboten wird, als "kalten Döner-Salat".
Und da kommt er wieder – der Brustton der Überzeugung. 50 Jahre nach der Erfindung des Döners hat Salim nun einen "neuen Döner" erfunden. Ganz warm soll er sein. Ob warm oder Kühltheke, eines steht für ihn fest: Die Erfindung des Döners ist ein Akt der Völkerverständigung: "Das war ein toller kultureller Austausch. Ich habe auch Leberkäs' gern. Und die Deutschen haben das erste Mal Döner in Reutlingen gesehen."