Doch keine Kreation aus Berlin?

Der Döner-Mann aus Dietenheim: Nevzat Salim will den ersten Döner erfunden haben

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Rainer Schlenz
Rainer Schlenz (Foto: Spiesz-Design/Sabine Weinert-Spieß)

50 Jahre ist es her, dass die Deutschen den Döner für sich entdeckt haben. Die Frage ist, wo der Döner, so wie wir ihn kennen, herkommt. Aus Berlin? Oder doch von einem Mann aus Dietenheim?

Nevzat Salim (Foto: SWR, privat, Nevzat Salim)
Nevzat Salim erinnert sich gerne an die Anfänge des Döners. Auch wenn oft anderes behauptet wird: Salim ist überzeugt, dass er den ersten Döner angeboten hat.

Nevzat Salim sitzt auf seinem großen blau-beigen Sofa in seinem Haus in Dietenheim-Regglisweiler (Alb-Donau-Kreis) und holt alte Fotos hervor. Ein schwarz-weiß-Bild zeigt einen silber-glänzenden Drehspieß mit einem langen Stromkabel. Aufgebaut hat Salim die Dönermaschine unter freiem Himmel auf dem Stadtfest in Reutlingen im Jahr 1969.

Nevzat Salim (Foto: SWR, privat, Nevzat Salim)
Nevzat Salim vor der aus der Türkei importierten Dönermaschine, die bei den Deutschen für Furore sorgte.

"Das ist die erste Dönermaschine, die in der Türkei entwickelt wurde in den 60er Jahren. Das ist ein Riesenbeweis."

In der Türkei gab es Döner schon lange. Aber das Fleisch wurde immer als Tellergericht serviert. Nevzat Salim aber hat Döner in der Semmel angeboten. Die Geburtsstunde des Döners, so wie wir ihn kennen, behauptet Salim. Das hat für ziemlichen Wirbel gesorgt: "Glauben Sie mir, da waren zwei Reihen, 30 Meter lang. Alle warteten ungeduldig. Und sie wussten nicht, was das ist." Man sprach von türkischem "Leberkäs", erzählt Salim. Umgekehrt wusste der Türke seinerzeit mit diesem Wort gar nichts anzufangen.

Nevzat Salim (Foto: SWR, privat, Nevzat Salim)
Nevzat Salim (im Hintergrund) war schon in den 60ern und 70ern vom Döner begeistert.

In Berlin wurde Döner 1972 angeboten, in Reutlingen schon 1969

Berliner Zungen behaupten, der Döner sei eine Berliner Erfindung. Der Verein türkischer Dönerhersteller in Europa, ATDiD, etwa benennt Kadir Nurman, der 1972 in Berlin als erster das Fleisch in einen Fladen steckte.

Nevzat Salim hält dagegen: Er habe den ersten Döner eben schon 1969 angeboten - also drei Jahre früher als die Berliner "Konkurrenz". Im Berlin des Kalten Krieges hätte laut Salim der Döner nie seinen Siegeszug über ganz Deutschland antreten können. Mit dem Kühlwagen über die deutsch-deutsche Grenze mit all den Kontrollen? Äußerst unwahrscheinlich, meint Salim: "Ja, Berliner, tut mir sehr leid. Das ist nicht möglich, dass die Berliner den Döner in Deutschland erfunden haben."

Nevzat Salim (Foto: SWR, privat, Nevzat Salim)
Nevzat Salim hält es für unmöglich, dass der Döner in Berlin erfunden wurde.

Kein Stadtfest in Reutlingen im Jahr 1969 nachweisbar

Der ultimative Beweis steht indessen noch aus: Die Nachfrage beim Stadtarchiv Reutlingen spricht nicht für Nevzat Salim: Stadtfeste gab es dort erst ab 1977, heißt es. Stadtfeste im Jahr 1969 hingegen lassen sich nicht nachweisen. Trotzdem können sie stattgefunden haben, aber eben ohne, dass dies dokumentiert wäre.

So oder so, Salim ist sich "zu 99 Prozent sicher", dass er der Erfinder des Döners im Brötchen ist. Ganz sicher ist er sich, dass der Döner der heutigen Zeit nicht mehr viel mit dem türkischen Original zu tun hat. Das ganze kalte Zeugs wie Joghurt und Salat gehört da nicht rein, sagt er. Er bezeichnet das, was heute überall angeboten wird, als "kalten Döner-Salat".

"Das war ein toller kultureller Austausch. Ich habe auch Leberkäs' gern. Und die Deutschen haben das erste Mal Döner in Reutlingen gesehen."

Und da kommt er wieder – der Brustton der Überzeugung. 50 Jahre nach der Erfindung des Döners hat Salim nun einen "neuen Döner" erfunden. Ganz warm soll er sein. Ob warm oder Kühltheke, eines steht für ihn fest: Die Erfindung des Döners ist ein Akt der Völkerverständigung: "Das war ein toller kultureller Austausch. Ich habe auch Leberkäs' gern. Und die Deutschen haben das erste Mal Döner in Reutlingen gesehen."