Am Mittwoch hat die Stadt Ulm eine Chronik über die Wissenschaftsstadt veröffentlicht. Es geht um die gemeinsame Ansiedlung von Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Entwicklung auf dem Ulmer Eselsberg. Das Buch ist im Ulmer Verlag Klemm + Oelschläger erschienen. Verfasst von Hans-Uli Thierer und Ulrich Soldner. Soldner war 30 Jahre lang Leiter des Liegenschaftsamtes und ist heute Beauftragter des Oberbürgermeisters für Bodenstrategie. Soldner war bereits bei der Geburtsstunde der Wissenschaftsstadt dabei. Im SWR-Interview erläutert er die Entstehungsgeschichte.
SWR: Herr Soldner, Sie waren schon bei den ersten Planungen in den 1980er Jahren dabei. Wie haben Sie die Aufbruchstimmung damals erlebt?
Ulrich Soldner: Das war eine sehr spannende Zeit, weil es so positiv aufgenommen wurde, was da begonnen hat und weil man erahnen konnte, was noch alles entstehen wird. Denn Ulm war damals stark betroffen von Arbeitsplatzabbau. Wir hatten in Baden-Württemberg bei den Städten die höchste Arbeitslosenquote.
Das waren rund zehn Prozent Arbeitslose. Das Bildröhrenwerk Videocolor hatte fast 2.000 Menschen entlassen. War es also eine sehr kühne Idee, aus der Not geboren?
Ja, es war einerseits aus der Not geboren, andererseits waren aber auch die Gedanken bei der Universität schon vorhanden, über sogenannte An-Institute nachzudenken, und bei der Stadt Ulm, die Universität Ulm unbedingt zu stärken. Und so hat sich das zusammengeführt. Das Land Baden-Württemberg hat die Universität und die Stadt Ulm hier sehr unterstützt.
Sogenannte An-Institute, die verknüpfen eben gerade universitäre Forschung mit der Wirtschaft, oder?
Ganz genau, da wurde der Wissenstransfer ganz konkret. Die Erkenntnisse der Wissenschaft übertragen auf die Wirtschaft. Die ersten Institute waren das Institut für Lasertechnologie und das Institut für Biomechanik. Diese waren schon da, bevor die Wissenschaftsstadt dann offiziell in Gang gekommen ist.

Die zündende Idee kam wohl bei einem schwäbischen Essen im Restaurant "Engel" in Ulm. Kässpätzle oder Rostbraten?, sagt die Legende. Was ist denn da dran?
Es war so, dass im Rahmen des Studiums generale unser damaliger Oberbürgermeister Ernst Ludwig teilgenommen hat. Auch der damalige AEG-Konzerchef Heinz Dürr und die Vertreter der Universität waren dabei. Und da ging es darum, dass AEG am Standort in der Ulmer Weststadt beengt war. Sie wollten sich weiterentwickeln und eine Forschungsabteilung gründen. Dann hat unser Oberbürgermeister den Oberen Eselsberg als Standort ins Gespräch gebracht. So ist das Ganze dann ins Rollen gekommen.
Auf dem Ulmer Eselsberg ist dann diese riesige Ansiedlung entstanden: quasi eine Stadt über der Stadt. Gab es nie kritische Stimmen, weil eine riesige Fläche verbraucht, auch Natur geopfert wurde?
Ja, aber es wurde auch Ausgleich geschaffen. Zum Beispiel das Biotop am Rande des Science Park 2 am RKU vorbei und der Botanische Garten. Wir haben auch mit ein paar Bildern versucht, das in der Broschüre zum Ausdruck zu bringen.
Also eine grüne Wissenschaftsstadt mit Campus und Science Park 1-3 mit rund 15.000 Studierenden, 17.000 Arbeitsplätzen - das ist aus Ulm nicht mehr wegzudenken. Könnten Sie zwei der aktuell wichtigsten Projekte beispielhaft nennen?
Die wichtigsten Projekte sind sicherlich gegenwärtig beim Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW). Das ZSW war schon früh im Science Park 1 und arbeitet jetzt unter Hochdruck an der Batterieforschung. Das Zweite ist die glückliche Ansiedlung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrttechnik. Stichwort: Quantentechnologie. Und die Ansiedlung auf dem Daimler-Areal und Einzug in die Räumlichkeiten, die Daimler leider jetzt verlassen hat. Und das ist typisch für die Wissenschaftsstadt Ulm. Wenn irgendwo eine Delle war und wenn es nicht mehr so gut gelaufen ist, wie zum Beispiel bei Nokia, konnten die wissenschaftlichen Mitarbeiter am Oberen Eselsberg von anderen Firmen, die sich dann angesiedelt haben, voll übernommen werden.