Die Figur des Schwarzen Königs Melchior in der Weihnachtskrippe des Ulmer Münsters hat im Herbst 2020 bundesweit für Schlagzeilen gesorgt und eine nationale Debatte ausgelöst. Weil die Darstellung des afrikanischen Königs rassistische Klischees bedient, hat der evangelische Dekan Ernst-Wilhelm Gohl die Heiligen Drei Könige vorläufig aus der Münsterkrippe entfernt und dafür einen Shitstorm geerntet. Nach der sehr hitzigen öffentlichen Debatte hat das Museum Ulm die Geschichte dieser Skulptur und des Ulmer Bildhauers Martin Scheible erforscht. Das Ergebnis ist ab Samstag (19. Februar) in einer Ausstellung zu sehen.
Museumsdirektorin Dathe: "Voller rassistischer Stereotype"
Die wulstigen roten Lippen, die überzeichneten Gesichtszüge, der Goldreif an den nackten Beinen - all diese Merkmale der Holzfigur von Martin Scheible von 1924 sind "rassistische Stereotype", sagt Stefanie Dathe, die Leiterin des Museums Ulm. Hinzukommt in Scheibles Krippe ein ebenfalls karikierter Kameltreiber sowie ein kleiner Schwarzer Schleppenträger, als Diener des zweiten weißen Königs. Dem Museum ist es wichtig, die Werke des seinerzeit renommierten Ulmer Bildhauers jetzt im historischen Kontext zu zeigen.
"Worüber wir auch reden müssen, ist die Frage, ob diese Figur realistisch ist," erläutert Dathe, die auch die Ausstellung kuratiert hat. "Ob Martin Scheible einem solchen Afrikaner live in Ulm oder wo auch immer begegnet ist?" Unwahrscheinlich, so das Ergebnis einer aufwändigen Recherche des Museums über den Ulmer Bildhauer, der viele Denkmäler, vor allem in Stein, hinterlassen hat. Seine stereotype Darstellung inspiriert sich eher vom Karneval, vom Zirkus und berühmt-berüchtigten Völkerschauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Für die Ulmer Künstlerin Ruth Weigel, die bei der Ausstellung mitgewirkt hat, ist dieser Melchior aus der Weihnachtskrippe durchaus verletzend. Sie sei erstaunt über die heftige Darstellung von Bildhauer Martin Scheible. "Er wird halt wie ein Zirkusclown dargestellt. Und natürlich wussten wir, dass Scheible ein Faible dafür hatte." Dass er ausgerechnet den Weisen aus dem Morgenland als lächerliche Figur zeige, findet die Schwarze Ulmerin "schon krass".

Die Figur des Königs ist alleine nicht rassistisch, erklärt IT-Berater und Jurist Friedrich Hervé Lien-Mbep, Sprecher des afrodeutschen Forums in Ulm: "Es gibt Schwarze Menschen, die so aussehen. Wenn man aber wirklich das Gesamtbild betrachtet, ja, dann hätte ich ein Problem mit dem Schleppenträger. Denn wir leben jetzt nicht mehr in der Gesellschaft, wo die Schwarzen die Erfüllungsgehilfen oder die Sklaven von anderen Menschen sind." Über die Ausstellung der umstrittenen Krippenfiguren freut er sich gleichwohl. Ebenso wie der Ulmer Dekan und Münsterpfarrer Ernst-Wilhelm Gohl, der die heftige nationale Kontroverse vor anderthalb Jahren ausgelöst hatte, als er die Heiligen Drei Könige aus der Krippe vorläufig entfernte.
Heilige Drei Könige im Mittelalter und Barock

Scheibles Krippenfiguren stellt die neue Ausstellung nun in den historischen Kontext und häuft in zwei Vitrinen anstößige Bilderbücher und Alltagsgegenstände mit verstörend simplen und diskriminierenden Darstellungen afrikanischer Menschen aus: etwa auf kirchlichen Spendenbüchsen oder Kakaodosen. Als Kontrast zu diesen Zerrbildern der Kolonialzeit zeigt das Museum Ulm beispielhaft Gemälde aus dem 15. Jahrhundert und der Barockzeit. Es ist augenfällig, dass Melchior, der Schwarze König, in der Gruppe der drei Weisen ebenbürtig und respektvoll dargestellt wird. Die Ausstellung "Wir müssen reden" beginnt am Freitag (18.2) um 19 Uhr mit einer digitalen Eröffnungsfeier auf dem Youtube-Kanal des Museums.
