Frauen und Kinder, die aus der Ukraine geflohen sind (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance dpa  Christoph Soeder)

Solidarität im Ukraine-Krieg

Gmünder Professorin beklagt Ungleichbehandlung von Geflüchteten

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Die Solidarität mit ukrainischen Flüchtlingen ist groß. Dabei rutscht das Schicksal der Menschen in anderen Kriegsgebieten jedoch in den Hintergrund, warnt Prof. Miriam Stock der PH Schwäbisch Gmünd.

Prof. Miriam Stock leitet den Masterstudiengang Interkulturalität und Integration an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd. Sie steht in Kontakt mit vielen syrischen Familien.

Miriam Stock im SWR-Studio Aalen: Sprecherin Interkulturalität und Integration  (Foto: SWR, Frank Polifke)
Prof. Dr. Miriam Stock ist Leiterin des Mastersstudiengangs "Interkulturalität und Integration" an der PH Schwäbisch Gmünd

SWR: Frau Stock, wie geht es Ihnen denn damit, wenn Sie feststellen, dass die Menschen in Syrien zum Beispiel offenbar in unserem Bewusstsein mehr und mehr in Vergessenheit geraten?

Prof. Miriam Stock: Das ist ein Punkt, der mir momentan sehr nahe geht, weil wir sehr viel über Krieg und Flucht reden - auch in Bezug zur Ukraine. Es gibt aber auch sehr viele Personen in Syrien, die nach wie vor auch unter ähnlichen Umständen leben und sehr viele Schwierigkeiten haben. Ich finde das sehr schade, dass sie aus dem Bewusstsein rücken.

Was bedeutet das für die Menschen?

Was die Menschen ärgert ist vor allem, dass es so ein zweischneidiges Bild gibt. Als der Ukraine-Konflikt losgegangen ist und es natürlich auch berechtigterweise sehr viel Solidarität gab, wurde gesagt: 'Aber das sind jetzt eben mal eher blonde Menschen, das sind zivilisierte Menschen.' Und das ist ein Punkt, der viele von meinen Bekannten sehr trifft, weil sie sich natürlich auch als zivilisiert wahrnehmen und nur aus einem anderen Konfliktgebiet kommen. Keiner hat den Konflikt gewählt, jeder möchte eigentlich in Frieden ein gutes Leben mit seiner Familie leben. Und da ist es egal, woher man kommt.

Sie sprechen diese Unterscheidung zwischen Flüchtlingen an. Kann man diese Unterscheidung, die es offenbar gibt, den Menschen aus Syrien irgendwie erklären?

Ich glaube, viele Dinge verstehen sie schon. Der Punkt ist, dass das auch 2015 schon so war, als viele aus Syrien und Afghanistan gekommen sind. Diese hatten sozusagen auch andere Leistungen als Geflüchtete, die früher kamen. Ich habe mich zum Beispiel mit Geflüchteten aus dem Libanon beschäftigt, die in den 1980er oder 1990er-Jahren gekommen sind. Sie hatten jahrzehntelang Arbeitsverbote.

Anderes Thema: Sie erforschen in einem Projekt die Kommunikation zwischen Geflüchteten, Eltern und Lehrkräften. Und zwar wollen Sie herausfinden, wie sie verbessert werden kann. Warum ist die Kommunikation denn schlecht?

Das Projekt heißt "Parentable" und wir bringen in einem dreitägigen Workshops geflüchtete Eltern mit Lehrkräften zusammen und zwar in ganz Europa. Was sich immer wieder zeigt, ist, dass sich die Eltern sehr, sehr missverstanden fühlen, weil sie sich nicht ernst genommen fühlen. Etwa weil sie nicht die Sprache sprechen und es dann oft das Stereotyp gibt: Die wären noch bildungsfern und von der Seite der Schule heißt es, dass sie vielleicht einfach nicht so interessiert sind, die sollen höchstens mal eine Ausbildung machen und so weiter. Da gibt es eben sehr, sehr viele Missverständnisse. Das hat sicherlich auch mit Stereotypen zu tun. Ich glaube dort braucht es einfach Aufklärungsarbeit.

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