Die bissige Boulevardkomödie von Gilles Dyrek, seit der Uraufführung 2003 ein Kassenschlager in Frankreich, ist angesichts des Ukraine-Krieges aktueller geworden, als von der Theaterei Herrlingen bei Blaustein im Alb-Donau-Kreis ursprünglich gedacht. "Leider", sagt die Leiterin Edith Ehrhardt, die diese Gesellschaftssatire über scheinheilige Spendenbereitschaft und Pseudo-Engagement für Geflüchtete gerade jetzt passend findet. Es herrsche eben oft "auch eine sehr große Verlogenheit und sehr viel Unkenntnis darüber, was sonst auf der Welt los ist." In der doppelbödigen Verwechslungskomödie "Venedig im Schnee" spielt die Figur der Patricia nur eine Ausländerin, um ihre Gastgeber zu narren. "Es geht nicht um eine echte Flüchtlingsfrau", betont Ehrhardt als Regisseurin.
Im Zentrum der Komödie: Eine Geflüchtete, die keine ist
Das Publikum der Theaterei spendet bei der Premiere am Samstag (5.3.) viel Applaus für das pointierte Spiel des vierköpfigen Ensembles. Schauspielerin Nadine Ehrenreich wechselt bravourös zwischen der Rolle der schmollenden französischen Geliebten und der angeblich geflüchteten Chouvenin hin und her. Dafür erfindet sie eine Fantasiesprache ebenso wie ihre Heimat Chouvenien, natürlich ein armes Land, das niemand kennt und unsere Spenden braucht: von Altkleidern mit Flecken über Kaffeemaschinen, die lecken, allerlei Nützliches und Unnützes, sogar die Schneekugel mit Venedig als Souvenir gehört dazu, daher der Titel der Komödie.

Warum Lachen angesichts der Tragik erlaubt ist
"Das Leben mit Spenden, mit Flüchtlingen hat viele Hintergründe," betont eine Zuschauerin. "Trotz allem immer wieder ein Lacher dazu, eine tolle Mischung." "Das Wesen des Witzes liegt in der Verwechslung," sagt amüsiert ein Premierengast und eine Theatereifreundin fügt hinzu: "Lustig, dass man auch ganz schnell auf etwas hereinfällt, sehr entlarvend." Könnte Spaß und Heiterkeit im Theater vor dem Hintergrund des Krieges nicht doch deplatziert erscheinen? Theatereichefin Edith Ehrhardt schüttelt den Kopf und verteidigt die Form der Komödie.
"...weil man durch dieses Lachen trotzdem sehr, sehr viel mitnehmen kann. Es heißt ja nicht, dass man deswegen nichts verstanden hat."
Das Premierenpublikum in Blaustein-Herrlingen genießt ganz offensichtlich die knapp zweistündige Auszeit vom Alltag mit den bedrückenden Nachrichten: "Gerade jetzt, sonst wird man noch verrückt!" beteuert eine Zuschauerin. "Klar, mache ich mir Gedanken", beteuert ein Mann, "aber was nutzt es?" Den meisten im Publikum scheint es wichtig, den Ernst der weltpolitischen Lage auch mal zu vergessen und Kraft zu tanken: "Samstagabend darf das mal sein!"