Der Ulmer Krebsexperte Thomas Seufferlein zeigte sich im Gespräch mit dem SWR zum Weltkrebstag am 4. Februar besorgt darüber, dass viele Menschen ihren Vorsorgetermin in der Corona-Zeit nicht wahrgenommen haben oder sich erst später untersuchen lassen wollen. "Oft haben Menschen ihren Termin ein Jahr oder länger hinausgezögert", sagte Seufferlein, Ärztlicher Direktor für Innere Medizin am Uniklinikum Ulm. So würden Mammografie und Darmspiegelungen deutlich weniger genutzt als vor der Pandemie.

Angst vor Corona-Ansteckung in Praxis "unbegründet"
Die von vielen geäußerte Angst vor einer Ansteckung in einer Praxis hält Seufferlein für unbegründet.
"Das Risiko, sich in einer Gesundheitseinrichtung anzustecken, ist definitiv mit am geringsten, weil wir sehr strenge Regulationen haben."
Ein anderes Argument, nicht zur Vorsorge zu gehen, sei für viele die von ihnen angenommene hohe Auslastung der Kliniken und Praxen. Auch dies sieht Seufferlein entkräftet: Das Gesundheitswesen sei wieder gut aufgestellt.
Ulmer Krebsexperte warnt vor Anstieg der Krebssterblichkeit
"In den Gipfelzeiten der Pandemie" dagegen seien viele Tumoroperationen wegen der Auslastung der Intensivkapazitäten und wegen fehlenden Personals verschoben worden oder ausgefallen, sagte Seufferlein der Nachrichtenagentur AFP zum Weltkrebstag am 4. Februar. Zu Beginn der Pandemie habe es zudem deutlich weniger Vorsorgeuntersuchungen gegeben - eine verspätete Diagnose von Krebserkrankungen berge jedoch das Risiko, dass Tumorerkrankungen erst in einem fortgeschritteneren und damit schlechter behandelbaren Stadium erkannt würden, so Seufferlein. Mittlerweile seien die Vorsorgeangebote zwar "wieder auf Normalstand", allerdings warteten etliche Menschen von sich aus immer noch auf mehr Normalität. Auch im Bereich der Nachsorge gebe es erhebliche Rückstände, so der Ulmer Krebsexperte, der wegen der Corona-Pandemie vor einem Anstieg der Krebssterblichkeit warnt.
Barmer Ersatzkasse: Wegen Corona fallen Vorsorgetermine weg
Die Barmer Ersatzkasse mit Sitz in Schwäbisch Gmünd bestätigt den Trend, wonach wegen Corona Termine wegfallen oder verschoben werden: Operative Eingriffe bei Krebs gingen laut der Krankenkasse im Jahr 2020 um 26,3 Prozent zurück. Strahlentherapien verzeichneten ein Minus von 28 Prozent. Auch 2021 ist laut einer aktuellen Erhebung der Stand vor Corona nicht wieder erreicht worden. In Bezug auf die Früherkennung geht die Krankenkasse davon aus, dass mehr als 70.000 Menschen in Deutschland keine oder eine verspätete Krebsdiagnose erhielten, darunter 11.000 Brustkrebspatientinnen und 9.000 Menschen mit Melanomen, dem bösartigen schwarzen Hautkrebs.
Internist Ludwig aus Dornstadt: Weniger kommen zur Krebsvorsorge
Dass weniger Menschen zur Krebsvorsorge kommen, beobachtet auch Internist Leopold Ludwig aus Dornstadt (Alb-Donau-Kreis), der auf endoskopische Untersuchungen spezialisiert ist. Mittlerweile klinge die Angst vor einem Praxisbesuch bei den Menschen allerdings wieder ab.
"Die erste Zeit im Frühjahr 2020 war das anders, da hatten die Menschen große Sorgen und haben uns gemieden."
Wer rechtzeitig zur Vorsorge gehe, habe nach einer dadurch möglichen früheren Tumordiagnose bessere Heilungschancen, so Ludwig. Wenn aber weniger Vorsorgeuntersuchungen, wie Darmspiegelungen, stattfänden, sei es häufiger der Fall, dass Ärzte den Krebs erst in einem späteren und damit gefährlicheren Stadium feststellten.
Deutsche Krebsgesellschaft ruft zur Krebsvorsoge auf
Die Krebsfrüherkennungs-Untersuchungen sollten auf jeden Fall wahrgenommen und auch nicht aufgeschoben werden, teilte die Deutsche Krebsgesellschaft zum Weltkrebstag am 4. Februar mit. Die gelte besonders für die Vorsorge gegen Brustkrebs, Darmkrebs, Gebärmutterhalskrebs, Hautkrebs und Prostatakrebs.