Der lebendige Kreuzweg in Ulm endete auf dem Münsterplatz mit der Darstellung der Kreuzigung Jesu. (Foto: SWR, Frank Polifke)

Tausende Zuschauer

Lebendiger Kreuzweg am Karfreitag in Ulm und Neu-Ulm

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Isabella Hafner
Isabella Hafner (Foto: SWR)

Nach zwei Jahren Corona-Pause hat am Karfreitag der Lebendige Kreuzweg der italienischen Gemeinde stattgefunden. Ein neuer Jesus trug das Kreuz durch Ulm und Neu-Ulm.

Rund 80 Laiendarstellerinnen und Laiendarsteller stellten das Leiden und Sterben Jesu Christi an zahlreichen Stationen nach, mehrere tausend Menschen nahmen an der Prozession von Neu-Ulm nach Ulm teil. Die italienische Gemeinde Ulm/Neu-Ulm geht von rund 10.000 Zuschauern aus, die die abschließende Kreuzigungsszene auf dem Münsterplatz verfolgten. Die Gebete während der Prozession wurden auf Italienisch und Deutsch und teilweise auch auf Ukrainisch gesprochen.

Der lebendige Kreuzweg in Ulm endete auf dem Münsterplatz mit der Darstellung der Kreuzigung Jesu. (Foto: SWR, Frank Polifke (Archivbild))
Der "Lebendige Kreuzweg" führt von Neu-Ulm über die Donau nach Ulm (Archivbild).

Der neue Ulmer Jesus ist Frisör und hat ein "Bäuchlein"

Die Rolle des Jesus war mit Gianni Giorgio Crusafio neu besetzt worden. Mit seinem historischen Vorbild hat er eigentlich nicht viel gemeinsam: Crusafio ist 43 - Jesus wurde, der Überlieferung nach, knapp über 30 Jahre alt. Crusafio ist auch kein Zimmermann, sondern Frisör. Nachdem er von Kreuzwegorganisator Nico Albarino für "die Rolle seines Lebens" auserkoren wurde, durfte keine Schere mehr ans eigene Haar. "Ich habe sogar Integratoren genommen, damit die schneller wachsen, Tabletten mit Eisen und Magnesium." Außerdem habe er sich zu Anfang gefragt, ob er wirklich den Jesus spielen kann, mit seinem "Bäuchlein", erzählt er schmunzelnd. Doch Organisator Nico Albarino habe abgewunken - Jesus sei schließlich auch nicht ins Fitnessstudio gegangen.

So sieht er aus, der Ulmer Jesus: Gianni Giorgio Crusafio, von Beruf Frisör. Die Haare hat sich extra wachsen lassen und der Bart stimmt auch schon. (Foto: SWR, Isabella Hafner)
So sieht er aus, der Ulmer Jesus: Gianni Giorgio Crusafio, von Beruf Frisör. Die Haare hatte er sich extra wachsen lassen..

"Der liebe Jesus ist ein ruhiger Typ. Auch wenn der sich aufgeregt hat, ist er ruhig geblieben."

Lebendigen Kreuzweg in Ulm und Neu-Ulm nach zwei Jahren Pause

Hektisch waren die letzten Wochen der Vorbereitung. Ende Februar war klar, dass der Lebendige Kreuzweg nach zwei Jahren Corona-Pause wieder stattfinden kann. Nico Albarino trommelte die rund 80 Darstellerinnen und Darsteller für mehrere Proben in den Saal der Wengenkirche zusammen. Coronatest und Maske - jedes Mal Pflicht. Neben Jesus mussten auch weitere Rollen schnell neu besetzt werden: Judas ist neu, Maria, Johannes und die beiden Räuber sind ebenfalls neu.

Drei Stunden Leidenspassion durch die beiden Städte

Altgewohnt war dagegen, dass nach zwei Jahren Corona-bedinger Pause wieder Tausende von Menschen am Karfreitag den dreistündigen Kreuzweg begleiteten - vom Neu-Ulmer Rathausplatz, wo das letzte Abendmahl stattfand, über fünf Stationen bis hin zur Kreuzigungsszene auf dem Ulmer Münsterplatz. Im Vorfeld hatte der Hauptdarsteller noch darüber gerätselt, ob der Lebendige Kreuzweg in diesem Jahr viele Menschen anziehe, gerade wegen Corona, weil sie sich freuten, nach den Lockerungen wieder so etwas erleben zu dürfen. Oder ob sie wegen Corona lieber daheim bleiben würden - doch sie kamen.

Lebendiger Kreuzweg am Karfreitag mit Auspeitschen des Papas

Aufs Tragen des 50 Kilogramm schweren Kreuzes hatte sich Gianni Giorgio Crusafio dagegen nicht vorbereitet. Jesus im Himmel werde ihm schon helfen, ist er sich sicher. Auch seine Frau und seine Kinder sahen am Karfreitag, wie er dieses Kreuz schleppen musste und sein Rücken von Peitschenhieben blutig rot wurde. "Bei den Kindern war das ein bisschen schwieriger, gerade bei der Kleinen mit sechs. Die hat gesagt: Der Papa darf doch nicht ausgepeitscht werden!" Als er das dann auch mit ihr gemacht hat, mit künstlichem Blut, habe sie ihren größten Spaß daran gefunden, ihre Mama auszupeitschen.

Finale am Ulmer Münsterplatz: Kreuzigung des Ulmer Jesus

Am Ende schließlich erlebte seine Familie mit vielen anderen Menschen, wie Gianni Giorgio Crusafio, nur mit einem Lendenschutz bekleidet, auf dem Ulmer Münsterplatz ans Kreuz genagelt wurde. In dreieinhalb Metern Höhe hing er dort etwa eine halbe Stunde lang, bis zur Lieblingsszene des 43-Jährigen: Da muss sich der Ulmer Jesus vom Kreuz fallen lassen und wird der weinenden Maria in den Schoß gelegt.