Der neu gewählte Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl will sich unter anderem für eine selbstkritische Kirche einsetzen. Vor allem das Thema des sexuellen Missbrauchs müsse aufgearbeitet werden. "Das geht nur mit maximaler Transparenz", sagte Gohl dem SWR. Außerdem müsse sich die Evangelische Kirche mit dem Mitgliederschwund auseinandersetzen. Die aktuelle Entwicklung dürfe man nicht schön reden. Vertreterinnen und Vertreter der Kirche müssten überlegen, wie sie wieder mit den Gläubigen ins Gespräch kommen können. Gohl wünscht sich eine vielfältige Landeskirche. "Wir haben echte Strukturprobleme", sagte der Theologe nach der Wahl. Ein Ziel sei, Pfarrerinnen und Pfarrer von Verwaltungsaufgaben zu entlasten. Es gebe außerdem Veränderungsdruck, da das Geld knapper werde.
Der 58-Jährige hatte am Samstagmorgen im Kirchenparlament, der sogenannten Landessynode, nur knapp die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit bekommen. Er erhielt 57 der 84 Stimmen. Für die Wahl waren mindestens 56 Stimmen nötig. Nach dem Ergebnis zeigte sich Gohl erleichtert. Ihm sei ein Stein vom Herzen gefallen. "Es war klar, dass es wirklich knapp wird. Ich bin froh, dass es nun doch eine Lösung gibt", sagte der Ulmer Dekan.
Glückwünsche für neuen Landesbischof Gohl
Gohl tritt im Sommer die Nachfolge für den in Ruhestand gehenden Bischof Frank Otfried July an. Der noch amtierende Landesbischof beglückwünschte den Ulmer Theologen. Gohl sei bereit, Verantwortung zu übernehmen und die anstehenden Herausforderungen anzupacken, so July. Glückwünsche gab es auch von der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus. Sie wünsche ihm "genug Kraft an Leib und Seele, vor allem Zuversicht und Gottvertrauen in dieser neuen Aufgabe".
Der Bischof der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, schrieb, Gohl sei als erfahrener Seelsorger und Dekan von Ulm mit den Sorgen und Anliegen der Kirchengemeinden bestens vertraut. Der scheidende Bischof der Evangelischen Landeskirche in Baden, Jochen Cornelius-Bundschuh, sprach sich dafür aus, die Kooperation zwischen den protestantischen Kirchen im Südwesten zu vertiefen.
Zähe Hängepartie um Bischofswahl
Insgesamt waren für die Wahl des neuen Bischofs fünf Abstimmungen nötig. Gohl war bereits am Donnerstag gemeinsam mit zwei weiteren Kandidierenden zur Wahl angetreten, konnte aber nicht die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit erreichen. Er hatte seine Kandidatur nach dem zweiten Wahlgang zurückgezogen. Gottfried Heinzmann, Chef des Diakoniewerks der "Zieglerschen", verfehlte jedoch die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit der Stimmen, obwohl er nach Gohls Rückzug am Donnerstag der einzige Kandidat war. Die Tübinger Theologin Viola Schrenk war zu dem Zeitpunkt schon ausgeschieden.
So lief die Wahl am Donnerstag, 17. März 2022:
Der Ulmer Dekan Gohl gehört dem Gesprächskreis "Evangelium und Kirche" an. Er ist seit 2006 Dekan des Kirchenbezirks Ulm und gleichzeitig Seelsorger am Ulmer Münster. Der ausgebildete Rettungssanitäter hat Theologie in Tübingen, Bern und Rom studiert. Nach dem Vikariat blieb Gohl im Pfarramt in Böblingen, es folgte bis 2006 eine Pfarrstelle an der Stadtkirche Plochingen. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern ist seit 15 Jahren Mitglied der württembergischen Landessynode als direkt gewählter Theologe des Wahlkreises Blaubeuren-Ulm.
Landesbischof July ab Sommer im Ruhestand
Landesbischof Frank Otfried July erreicht im Juli die Altersgrenze von 68 Jahren und tritt in den Ruhestand. Er war 2005 bereits im ersten Wahlgang ins Amt gewählt worden. Gohl wird nun für eine Amtszeit von zehn Jahren bestimmt und am 24. Juli in Stuttgart ins Amt eingeführt. Da er bereits 58 ist, wird er die Altersgrenze von 68 fürs Bischofsamt vor Ablauf der Zehn-Jahres-Frist erreichen. Er wird Bischof für rund 1,9 Millionen Protestantinnen und Protestanten in Württemberg.