Die Situation ist gerade nicht mehr durchschaubar. Vor der Landeserstaufnahmestelle, kurz LEA, ist ein Linienbus vorgefahren. Schon steigen Menschen aus der Ukraine ein, hauptsächlich Frauen und Kinder, mit dem wenigen Gepäck, das sie dabeihaben. Der Busfahrer weiß gar nicht, was er machen soll. Er spricht kein ukrainisch, und niemand anderes im Bus spricht deutsch.
Belegungszahl in der LEA Ellwangen ändert sich ständig
Es ist der neue Alltag auf dem Gelände der ehemaligen Reinhard-Kaserne vor den Toren Ellwangens. Auch Roussal, der aus Charkiw nach abenteuerlicher Flucht über fünf Tage auch gerade in der LEA angekommen ist, steigt in den Bus Richtung Bahnhof, eigentlich will er nach Bonn, dort gibt es Verwandte, sagt Roussal.
"Das Leben hat sich wieder vollständig verändert"
Sie kommen und fahren mit Auto oder Bus, manche bleiben eine Nacht da, manche länger. Die Belegungszahl ändere sich ständig, sagt der Leiter der LEA, Berthold Weiß, der sich in dieser Lage bemüht, den Überblick zu behalten. "Das Leben hat sich wieder vollständig verändert", sagt Weiß.
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Millionen Menschen fliehen vor dem Ukraine-Krieg. Auch in BW kommen immer mehr Flüchtlinge an. Wer im Land keine Verwandten oder Freunde hat, sucht Schutz in der Erstaufnahme.
Einweisung in die LEA sollen möglichst unbürokratisch sein
Manche Kinder haben ihre Haustiere mitgebracht, meistens sind es Hunde. Bisher undenkbar in der LEA, aber jetzt ist alles anders. Beim Info-Punkt sind die Geflüchteten nur kurz, alles soll so unbürokratisch wie möglich zugehen: Einweisung in die Häuser, mit dem wenigen, das die Menschen mit auf die Flucht nehmen konnten. Eine Tasche, in die jetzt ein ganzes Leben passen muss.
Und ihr Schicksal schleppen die Ankömmlinge auch mit, wie Alina aus Kiew, die mit einer Freundin und mit ihrer kleinen autistischen Tochter Dascha gekommen ist. Ihren Mann hat sie in Kiew zurückgelassen. Die Menschen sind froh, hier in Sicherheit zu sein. Aber was heißt das schon - angesichts dessen, was sie zurückgelassen haben?
Martha ist aus den Separatisengebieten im Osten geflohen. Ganz alleine. Ihre Mutter habe sie nach Deutschland geschickt, um ihr Leben zu retten, übersetzt Natascha, die wie alle nur beim Vornamen genannt werden will.
Traumata sind frisch - im Vergleich zu früheren Flüchtlingen
Was auch neu ist in der LEA: Die Menschen stranden nicht nach monatelanger Flucht in Ellwangen. Ihre Eindrücke sind ganz frisch, erzählt Berthold Weiß. Die Traumata bei den syrischen, irakischen oder afghanischen Geflüchteten hätten sich dagegen verfestigt - im Gegensatz zu den Menschen aus der Ukraine. Darauf müsse sich der Psychologe der Einrichtung jetzt erst einmal einstellen. Viele Menschen seien "gottfroh, dass sie einen sicheren Platz haben, ein Dach über dem Kopf und medizinische Versorgung", sagt Weiß.
Dazu gehört eigentlich auch die Corona-Impfung. Gerade mal ein Drittel der Ukrainer ist überhaupt geimpft, nur ein Bruchteil davon vollständig. Das allerdings ist etwas, was in der LEA nicht an erster Stelle steht. Die allererste Priorität für die Ankommenden sei, zu erfahren, wie es ihren Angehörigen daheim geht. Körperlich sind sie zwar hier, aber das Herz, so sagen sie, sei weiter in der Ukraine.