Mesale Tolu (Foto: SWR, SWR)

Aus Ulm stammende Journalistin in Istanbul vor Gericht

Urteilsverkündung gegen Meşale Tolu auf 17. Januar vertagt

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Der Prozess gegen die aus Ulm stammende Journalistin Meşale Tolu in Istanbul ist an Heiligabend wieder vertagt worden. Er soll nun am 17. Januar fortgesetzt werden.

Als Grund für die erneute Vertagung gibt die Organisation "Reporter ohne Grenzen" einen Wechsel auf der Richterbank an. Offenbar wird eine Person im verhandelnden Präsidium ausgetauscht. Der offizielle Beobachter des Bundestags vor Ort, Max Lucks von den Grünen, meldete, dass einer der Richter einfach nur im Urlaub sei. Die Verhandlung ist auf den 17. Januar verschoben worden, so der Anwalt Tolus, Keles Öztürk.

Wieder eine unerwartete Wendung im Prozess: Trotz Ankündigung, soll es heute nicht zu einer Urteilsverkündung kommen. Als Grund wird die Änderung des Gerichtsvorstands genannt. #Türkei https://t.co/Y2rE1Ke3FP

Überraschend heute wohl doch keine Entscheidung im Verfahren gegen @mesale_tolu, teilte Richter gerade mit. Grund: Es gibt personelle Änderungen in zuständiger Gerichtskammer in #Istanbul. @ReporterOG steht weiter an der Seite der bedrohten Medienschaffenden in der #Türkei. https://t.co/aDfVum6iqR

Beobachter rechneten mit einem Urteil

Für Heiligabend war mit einem Urteil gerechnet worden. Beim letzten Verhandlungstag im September hat der Staatsanwalt in seinem Schlussplädoyer Freispruch für die aus Ulm stammende Journalistin gefordert. Die türkische Staatsanwaltschaft musste im Verlauf des Verfahrens zugeben, dass ein anonymer Zeuge, auf den sie ihre Anklage stützte, nie existiert hat. Tolu wurde wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und Terrorpropaganda angeklagt. Der Prozess gegen Meşale Tolu dauert nun vier Jahre.

Mann wird wahrscheinlich nicht freigesprochen

Anders als bei Tolu selbst sieht es bei ihrem Ehemann Suat Çorlu aus. Er muss mit einer Verurteilung wegen regierungskritischer Äußerungen in sozialen Netzwerken rechnen.

Der Fall Meşale Tolu sorgte bundesweit für Schlagzeilen, weil sie 2017 zusammen mit ihrem damals zweijährigen Sohn Serkan acht Monate im Gefängnis saß. Sie wurde 2017 unter Auflagen entlassen, durfte aber erst im August 2018 zurück nach Deutschland reisen. Meşale Tolu lebt mit ihrer Familie seither in Neu-Ulm.

Prozessbeobachterin Stumpp spricht von Schikane

Immer wieder sorgte der Prozess während der der nunmehr vierjährigen Verhandlungsdauer für Belastungen in den Beziehungen zwischen Berlin und Ankara. Der Bundestag entsandte regelmäßig offiziell Beobachterinnen und Beobachter. Zuletzt hatte die ehemalige Grünen-Abgeordnete Margitt Stumpp aus Königsbronn (Kreis Heidenheim) diesen Auftrag. Sie war auch am letzten Verhandlungstag dort, als der Staatsanwalt empfahl, die Anklage fallen zu lassen.

"Der heutige Tag zeigt, dass die Staatsanwaltschaft mit den Anklagen vier Jahre lang massiven Druck und Repressionen gegen die Angeklagten ausgeübt hat, ohne stichhaltige Beweise für die Anklagen zu haben. Die lange Untersuchungshaft unter schwierigsten Bedingungen ist nie gerechtfertigt und völlig unangemessen gewesen."

Stumpp sei natürlich sehr froh über den beantragten Freispruch von Meşale Tolu. Der Prozess sei aber auch unrechtmäßig und eine Schikane gegen politisch Andersdenkende, betonte die ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete.

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SWR