"Erschrecken Sie nicht", warnt Claus Albrecht. Der Seniorchef des Herrenausstatters Saturn in Aalen führt durch sein Sortiment. "Sie sehen hier Winterware ohne Ende", sagt er. Und tatsächlich - das Untergeschoss quillt über vor flauschigen Hemden, Jacken und warmen Wintersakkos. Und das ist nicht alles. Auch im Lager sieht es nicht anders aus. Auf Kleiderständern hängen immer noch Winterjacken und Kartons mit Waren stapeln sich meterhoch.
Frühjahrskollektion braucht auch Platz
Die Waren seien fast unberührt, erzählt Albrecht , "weil niemand einen Bedarf hat in diese Richtung und weil wir nicht offen haben." Und nicht nur auf der Winterware bleibt der Herrenausstatter sitzen. In den Regalen im Verkaufsraum liegt auch schon die Frühjahrskollektion bereit. Und die braucht eigentlich noch mehr Platz. Doch wohin mit den warmen Pullis und Jacken?

Einen Schlussverkauf wird es nicht geben. Ein Aufkäufer wird ihm die Winterware wahrscheinlich für "einen Appel und Ei" abnehmen, sagt Albrecht. "Wenn Sie für ein Produkt 100 Euro Einkaufspreis bezahlt haben, dann gibt Ihnen der Aufkäufer vielleicht noch fünf oder zehn Euro", schildert er.
Herrenausstatter: Ausgaben und kaum Einnahmen
Platz ist dann zwar wieder da, aber der ist nur ein Teil des Problems. Denn die Bekleidungshäuser finanzieren die Frühjahrskollektionen vor und zwar mit dem Geld, das sie eigentlich mit der Herbst- und Winterware verdient haben. Doch das fehlt.
Allein beim Winterwaren-Umsatz fehlt dem Herrenausstatter 40 Prozent. Die Frühjahrsware wurde aber vor einem Jahr bestellt und muss jetzt bezahlt werden. Albrecht spricht von einem Dominoeffekt: "Wenn unsere Kreditlinien zu Ende sind, dann haben wir keine Chance, überhaupt die Rechnungen zu bezahlen. Was zum Ergebnis führt, dass es der Industrie genauso an den Kragen geht."
Corona-Hilfen für den Einzelhandel
Die Regierung hat dem Handel Hilfen zugesagt. Wann diese kommen und wie diese aussehen, sei aber noch unklar. Claus Albrecht hat nachgerechnet und ein Modell entwickelt: Nach Abzug verschiedener Posten wäre eine Überbrückungshilfe von 24 Prozent des Inventurwerts von Ende Dezember notwendig. Bei Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) liegt Albrechts Vorschlag schon auf dem Tisch. Eine Antwort sei bisher noch nicht gekommen, sagt er.