Im Sprechzimmer der Ulmer Gynäkologin Nadja Schultheiß sitzt eine Patientin, die schwanger und gegen Covid-19 geimpft ist. Damit ist die 37-jährige Ulmerin noch eine große Ausnahme.
Ihre Frauenärztin, Dr. Nadja Schultheiß, empfiehlt die Impfung uneingeschränkt – inzwischen gebe es genügend Daten und Studien aus verschiedenen Ländern, die zeigten, dass die Impfung sicher und sinnvoll sei für die Mutter und das ungeborene Kind. Eine Infektion wäre hochgefährlich für beide: Sie kann zu Frühgeburten und Wachstumsproblemen führen, zur Schwangerschaftsvergiftung oder sogar zum Tod des Kindes im Mutterleib. Genau das hat die Ärztin selbst erlebt.
"Das möchte ich nie wieder einer Schwangeren sagen müssen, dass aufgrund dieser Infektion etwas nicht in Ordnung ist, was wir hätten vermeiden können."
Uniklinik Ulm betreibt einen Covid-Kreißsaal
Ortswechsel: Edelstahl an den Wänden, fensterlos – so sieht der Covid-Kreißsaal der Universitätsfrauenklinik Ulm aus. An der einen Wand steht ein Bett für die Mutter, daneben ein blauer Gymnastikball zum Schaukeln während der Wehen, in der Ecke ein Bettchen für das Neugeborene. Eine Lampe soll für ein bisschen Wohlfühlatmosphäre sorgen.

In dieser vierten Welle bringt hier fast täglich eine Covid-19-infizierte Mutter ein Kind zur Welt, berichtet der Leiter der Sektion Geburtshilfe, Professor Frank Reister.
"Das ist sicher nicht das, was man sich als Gebärende wünscht."

Im Kreißsaal kann auch ein Kaiserschnitt durchgeführt werden – ein OP-Tisch, Infusionsständer und Überwachungsmonitore stehen hinter einer Stellwand bereit. Die Partner dürfen nicht dabei sein bei der Geburt. Die Hebamme trägt mehrere Stunden lang Vollschutz: einen gelben Schutzkittel, zwei Paar Handschuhe und eine Skibrille.
"Wir wünschen uns, dass mehr sich impfen lassen und dass es irgendwann mal wieder Richtung Normalität geht."
Geimpfte Schwangere sind noch immer die große Ausnahme, das ist auch die Erfahrung von Professor Reister. Vor neun Monaten seien sie noch nicht in den bevorzugten Gruppen für die Impfung gewesen. Und viele hätten trotz der ausdrücklichen Stiko-Empfehlung vor zwei Monaten noch immer Ängste – weil sie im Internet Falschinformationen lesen, Freunde sich nicht impfen lassen oder Verwandte ohne medizinisches Wissen davon abraten, sagt der Frauenarzt. Dabei sei Covid hochgefährlich für die Mutter und das ungeborene Kind. Reister fasst die Risiken zusammen.
- Eine Corona-Infektion während der Schwangerschaft erhöhe das Risiko für die Mutter für einen schweren Verlauf um ein Vielfaches.
- Das Risko, daran zu sterben, sei zwanzig mal so hoch wie unter normalen Umständen.
- Das Risiko für die Kinder - Frühgeburt, Schwangerschaftsvergiftung, bis hin zur Totgeburt - verdoppele sich oder gehe sogar noch höher.
- Das Risiko, dass die Kinder auf die Kinder-Intensivstation müssen, sei im Schnitt dreifach höher als bei Frauen, die keine Corona-Infektion haben.
Eines macht den Gynäkologen besonders fassungslos und ärgerlich: Wie hartnäckig sich bei Frauen, die erst noch schwanger werden wollen, das Gerücht hält, dass die Impfung unfruchtbar mache.
"Das ist ein böswillig gestreutes Gerücht. Es gibt keine Hinweise darauf, dass durch die Infektion selbst oder durch die Impfung die Fruchtbarkeit beeinträchtigt ist – das zeigen Studien. Das ist absoluter Blödsinn."
Die vor ihrer Schwangerschaft geimpfte Patientin von Dr. Nadja Schultheiss freut sich nun auf ihr zweites Kind. Im Juni soll es auf die Welt kommen.