Junger Mann mit Autismus und seine Stützerin (Foto: SWR)

Moritz will Abitur machen

Abtsgmünd: Junger Autist sucht Schulbegleitung

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Frank Polifke
Frank Polifke (Foto: SWR, SWR - Alexander Kluge)

Der 21-jährige Moritz will Abitur machen. Für den jungen Mann aus Abtsgmünd-Pommertsweiler eine Herausforderung: Er hat Autismus. Und sucht nun dringend eine Schulbegleitung.

Über seine berufliche Zukunft hat Moritz eine klare Vorstellung: "Ich will Berater werden, der anderen Menschen hilft", sagt er. Genau gesagt: Er schreibt es. Sprechen kann Moritz nur einzelne Wörter. Er drückt sich über seinen Tablet-Computer aus. Eine Computerstimme liest den Text vor.

Schulterberührung löst Schreibblockade

Moritz sitzt am Wohnzimmertisch der Familie in Pommertsweiler, einem Teilort von Abtsgmünd im Ostalbkreis. Bedächtig tippt der große Mann mit Schnauzbart per Ein-Finger-System einen Buchstaben nach dem anderen ins Tablet, die Kapuze seines Pullis übergestülpt. Neben ihm sitzt Eugenie Weiß und hat behutsam eine Hand auf seine rechte Schulter gelegt. Die Heilpädagogin ist Moritz' "Stützerin". Nur so fängt Moritz an zu schreiben,. "Wir vermuten, dass durch die Berührung die Bewegung erst zustande kommt", erklärt sie. Bei Moritz wird der Nervenreiz nicht reibungslos vom Gehirn in die Finger geleitet. Die Berührung an der Schulter löst die Blockade.

Regelschule und Mittlere Reife

Dieses Prinzip funktioniert bei Moritz gut, er hat eine normale Grundschule besucht. Und zuletzt sogar die Mittlere Reife gemacht. Alles mit Hilfe von Schulbegleitern, die ihn auf die geschilderte Weise "stützen". In der Regel sitzt er in einem eigenen Raum, nur so kann er sich konzentrieren, als Autist nimmt er etwa Geräusche oder Gerüche viel intensiver wahr als Menschen ohne Autismus. Folge: Die Klassenkameradinnen und -kameraden würden ihn so stark ablenken, dass er dem Unterricht nicht folgen könnte.

Junger Mann mit Autismus und seine Stützerin (Helferin) (Foto: SWR)
Lerntafel für Mathematik. Mit solchen Hilfsmitteln hat Moritz die Mittlere Reife geschafft.

Moritz' nächstes Ziel: das Abi

Nun peilt Moritz ein neues Ziel an: das Abitur. Was sich aufs Erste wie eine Fortsetzung seines bisherigen Wegs liest, ist in Wahrheit ein Hürdenlauf: Im Ostalbkreis war kein Gymnasium bereit, den Schüler mit seinen besonderen Bedürfnissen aufzunehmen. Geklappt hat es schließlich in Fellbach im benachbarten Rems-Murr-Kreis, 70 Kilometer Schulweg. Den würde Mutter Korsina übernnehmen, würde sich sogar einen Job im Raum Fellbach suchen und den Sohn nach Schulschluss wieder abholen.

Schulbegleitung händeringend gesucht

Eine weitere Hürde: Die bisherige Schulbegleitung fällt für den Schulwechsel aus. Moritz und seine Eltern suchen nun händeringend eine Schulbegleiterin oder einen -begleiter, sinnvollerweise aus dem Raum Stuttgart. Sie oder er sollte bereit sein, Moritz die nächsten drei Jahre auf seinem Weg zum Abi zu unterstützen.

Fit in gestützter Kommunikation - so heißt die Methode - muss die Schulbegleitung nicht sein, aber bereit, sich einzuarbeiten. Entsprechende (Wochenend-)Seminare gibt es online. Und Geld gibt es auch, wieviel, ist Verhandlungssache - und nicht zuletzt abhängig von der Qualifikation. Moritz selbst ist ein gutes, vertrauensvolles Verhältnis wichtiger. Die Mutter sieht das ähnlich: "Wenn sich jemand öffnet, empathisch und geerdet ist, interessiert und locker, dann ist das schon mal die halbe Miete, Moritz gut zu begleiten."

Moritz' Ziel: Andere Menschen mit Behinderungen beraten

Das Abitur ist aber nicht Moritz' letztes Ziel. Das nächste hat er schon im Visier: das Jurastudium. Um damit anderen Menschen mit einer Behinderung zu helfen. Er ist überzeugt: Das schafft er. Auch Mutter Korsina zweifelt keine Minute daran. "Moritz ist bisher immer wieder aufgestanden, wo mancher andere nicht mehr aufgestanden wäre. Ich war selbst oft eher am Ende als er. Ich sehe den Moritz an seinem Ziel: Er wird Berater, ganz sicher!"

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