Andreas Steinmetz ist fassungslos. Afghanistan einfach den Taliban zu überlassen - der zweite Vorsitzenden des Deutschen Bundeswehrverbands wird emotional. "Es ist Wut und ein Stück weit Verzweiflung, weil man nichts tun kann", sagt er. Der Hauptmann aus Heidenheim kennt Afghanistan. Fünf Mal war er dort, zwar nicht im Einsatz, aber er hat Minister und andere Politiker begleitet. Steinmetz hat Afghanistan auf einem guten Weg gesehen, vor allem auch in Sachen Bildung und Kommunikationsmittel.
Taliban haben sich verändert
Alles, was die westlichen Helferinnen und Helfer in den letzten 20 Jahren aufgebaut haben, werden die Taliban nicht wieder einreißen können, hofft Andreas Steinmetz. Auch die Taliban von heute seien andere als die aus dem Jahr 2000. Der Mann vom Bundeswehrverband warnt vor einer zu holzschnittartigen Einordnung. Man brauche nicht zu glauben, dass das alles dumme und brutale Menschen seien, sagt er. Es werde eine andere Gesellschaft als die von vor mehr als zwanzig Jahren entstehen.
"Man braucht nicht zu glauben, dass es alles dumme und brutale Menschen sind."
Kiesewetter befürchtet das Schlimmste
Roderich Kiesewetter sieht das kritischer. Der Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Aalen-Heidenheim und außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion befürchtet das Schlimmste für Afghanistan und die Menschen dort. "Wir hören jetzt schon von Erschießungen, Vergewaltigungen und Zwangsheiraten. Die werden weiter der Gesellschaft ihre Verachtung von Frauen und Bildung aufzwingen", so der Politiker.
Laut Roderich Kiesewetter haben die USA und die Verbündeten die Afghanen nicht nur im Stich gelassen - sie sind sogar vertragsbrüchig geworden. Im Petersberger Abkommen von 2011 habe sich Deutschland zusammen mit 40 weiteren Ländern verpflichtet, Afghanistan bis 2024 zu einem normalen Entwicklungsland zu machen. Mindestens diese drei Jahre hätte man noch bleiben müssen, so Kiesewetter.

Dolmetscher, Köche und Putzhilfen in Gefahr?
Nachdem die Taliban nun eine Provinz und eine größere Stadt nach der anderen erobern, sind für Kiesewetter dringend stabilisierende Maßnahmen in Afghanistan notwendig. Er schließt auch militärische Maßnahmen nicht aus. Die Hilfsorganisationen müssten vor Ort bleiben. Ob sie das aber tun werden?
Viele Helfer wieder in Deutschland
Viele fürchten die Taliban und Rache-Aktionen, denen gerade die Helfer der Bundeswehr ausgesetzt sein dürften. Zum Beispiel Dolmetscher, Köche und Putzhilfen. Rund 1.800 sind wieder in Deutschland. Aber viele haben bisher keine Erlaubnis zu kommen, weil sie nicht beim Bund beschäftigt waren, sondern bei Drittunternehmen. Für Roderich Kiesewetter ist das Verhalten der Bundesregierung beschämend und kurzsichtig gleichermaßen. Es sei ein Negativ-Beispiel wenn hier nicht mit Fürsorge und großem Herz geholfen werde, sagt er.
Kramp-Karrenbauer zum Afghanistan-Abzug
Laut Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) war der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr nicht vergebens. Bei einem virtuellen Redaktionsbesuch im Wahlkreis Aalen-Heidenheim sagte sie am Dienstagnachmittag: "Wir können mit Fug und Recht sagen, dass wir die Aufträge, die wir bekommen haben, erfüllt haben." Zumindest einer Generation habe man es ermöglicht, in einem anderen Afghanistan aufzuwachsen. "Wir sehen jetzt aber auch, dass uns die nachhaltige Veränderung Afghanistans im positiven Sinn nicht gelungen ist", so Kramp-Karrenbauer. Das sei eine sehr bittere Erkenntnis.