Die 28-jährige Bundestagsabgeordnete Ricarda Lang erhielt auf dem Online-Parteitag der Grünen am Samstag 75,93 Prozent der abgegebenen Stimmen. 552 Delegierte stimmten mit Ja, 137 mit Nein, es gab 38 Enthaltungen. Das Ergebnis muss noch per Briefwahl bestätigt werden, das soll bis Mitte Februar geschehen.
Lang hatte bei der Wahl keine Gegenkandidatin. Dennoch stimmten nur drei Viertel der Delegierten für sie. Im Interview mit dem SWR zeigte Lang sich dennoch zufrieden mit dem Ergebnis.
Der Außenpolitiker Omid Nouripour wurde neben Lang zum Parteichef gewählt. Auf den 46-Jährigen entfielen 82,58 Prozent der abgegebenen Stimmen - er bekam 621 von 752 Stimmen und setzte sich damit gegen zwei Mitbewerber durch. Auch dieses Ergebnis muss noch per Briefwahl bestätigt werden.
Nachfolgerin von Annalena Baerbock
Lang und Nouripour lösen Annalena Baerbock und Robert Habeck ab, die vier Jahre an der Spitze der Partei standen. Beide durften gemäß der Grünen-Satzung wegen ihrer Ministerposten nicht Parteivorsitzende bleiben.
Die Grünen werden traditionell von einer Doppelspitze geführt. Laut Satzung muss dem Führungsduo bei den Grünen mindestens eine Frau angehören. Für den einer Frau vorbehaltenen Vorsitzposten gab es diesmal keine anderen Kandidatinnen.
Lang will Grüne mit Realismus und Tatendrang führen
Lang konnte wegen einer Corona-Infektion nicht auf der Bühne im Berliner Velodrom sprechen, wo ein überschaubarer Kreis von Spitzen-Grünen versammelt war. Die mehrere Hundert Delegierten waren online zugeschaltet.
In ihrer Bewerbungsrede für den Co-Parteivorsitz der Grünen betonte Lang, ihr seien praktische Verbesserungen wichtiger als unrealistische Ideale. Die Regierungsbeteiligung sei für die Grünen eine riesige Chance, auch wenn dabei Kompromisse notwendig seien, sagte sie am Samstag auf dem weitgehend digitalen Parteitag.
"Wir machen Politik doch nicht nur, um uns auf die Schulter zu klopfen", so Lang. "Regieren ist doch keine Strafe, das ist eine riesengroße Chance." Es gehe darum zu gestalten, nicht "mit einer weißen Weste" am Rand zu stehen.
"Bei der Corona-Krise und auch bei der Klimakrise gibt es kein Abwarten", fügte Lang hinzu. Auch die Verbesserung der Lage von Familien mit geringem Einkommen sei ihr ein wichtiges Anliegen.
Seit September Abgeordnete im Bundestag
Bisher war die Parteilinke Lang Vizechefin und frauenpolitische Sprecherin der Grünen und damit bereits seit 2019 Teil des Bundesvorstands. Damit war sie auch an jener umstrittenen Entscheidung im Winter 2020 beteiligt, mit der der Vorstand Corona-Boni von 1.500 Euro für alle Mitarbeitende der Bundesgeschäftsstelle genehmigte - und damit auch für sich selbst. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Anfangsverdachts der Untreue gegen den Vorstand, der das Geld inzwischen zurückgezahlt hat.
Lang zog nach der Wahl im September erstmals als Abgeordnete in den Bundestag ein. Sie engagierte sich bisher insbesondere in der Sozial- und Gesundheitspolitik sowie für Gleichstellung. Von 2017 bis 2019 war sie Chefin der Nachwuchsorganisation Grüne Jugend.