Karteikarten statt elektronischer Patientenakte

Laichinger Physiotherapeut kämpft gegen Digitalisierung seiner Praxis

Stand

Seit 30 Jahren arbeitet eine Physiotherapiepraxis in Laichingen analog mit Stift und Papier. Jetzt soll sie, wie das gesamte Gesundheitssystem, digital werden - und wehrt sich.

Kai Kresse ist 64 Jahre alt und Physiotherapeut mit Leib und Seele. In Laichingen im Alb-Donau-Kreis hat er eine Praxis. Statt eines Computers pflegt er dort seine Karteikarten - im klassischen Karteikasten.

Damit könnte bald Schluss sein. Denn der Gesetzgeber ist dabei, das Gesundheitswesen rundum zu digitalisieren. Meilensteine sind etwa das E-Rezept oder die elektronische Patientenakte. Die Behandlung von Patienten und Patientinnen soll durch digitale Bündelung vereinfacht, die Zettelwirtschaft beendet werden.

Physiotherapeut will keine Digitalisierung in der Praxis

Seine von Hand beschrifteten Karteikarten zu digitalisieren und sich auf die elektronische Patientenakte umzustellen? Für Kai Kresse kommt das überhaupt nicht in Frage. Zu aufwändig, zu teuer. Und vor allem: Zu viel Regulierung. "Jeder kann digitalisieren, wo er will. Aber da, wo es nicht nötig ist, soll man die Möglichkeit haben, analog arbeiten zu können."

Mitarbeiterin Marita Unsner trägt die telefonisch vereinbarten Termine in einen Kalender aus Papier ein. In der Praxis von Physiotherapeut Kresse in Laichigen gibt es keinen Computer. Er kämpft gegen die zwangsweise Digitalisierung seiner Praxis.
Mitarbeiterin Marita Unsner trägt die telefonisch vereinbarten Termine in einen Kalender aus Papier ein. In der Praxis von Physiotherapeut Kresse in Laichigen gibt es keinen Computer. Er kämpft gegen die zwangsweise Digitalisierung seiner Praxis.

Termine machen er oder seine Mitarbeiterinnen noch am Telefon aus. Handschriftlich eingetragen in einen Kalender aus Papier auf dem Schreibtisch. In 30 Jahren Praxisgeschichte hat sich das bewährt. Patientinnen und Patienten finden es gerade gut, dass Kresse noch arbeitet, wie früher. Karin Diez aus Laichingen etwa erzählt: "Ich rufe an und sage, was Sache ist und bekomme meist bald einen Termin."

Das Menschliche sollte Vorrang haben. Digital ist nicht schlecht aber Termine mache ich noch gern persönlich.

Physiotherapeut: Mit Händen und Herz für Patienten da

Kresse schätzt den direkten Kontakt. Es sei ihm wichtig, dass das Menschliche Vorrang hat. Eine Internetseite brauche er deshalb nicht: "Viel zu teuer. Wir haben eine immense Mundpropaganda. Und die geht auch im digitalen Zeitalter."

Daten wie die von Karin Diez seien bei ihm, auf seinen Karteikarten, gut geschützt - anders, wie er glaubt, als in digitalen Systemen: "Nirgendwo sind meine Patientendaten sicherer als bei mir in meiner Datei in meinem Dateikasten. Ich kann nicht gehackt werden." sagt Kresse.

Dabei ist Kai Kresse gar nicht per se gegen die Digitalisierung. Oder gegen den Fortschritt. Für Kommunikation, in der Medizin, bei Bestrahlungen oder bei neuen Operationstechniken findet er sie sogar immens wichtig. Auch Künstliche Intelligenz sei an sich eine gute Sache. Nur: In seiner Praxis will er das alles nicht.

Meine Hände, meine Augen und mein Herz sind für meine Patienten da.

Ein abschließbarer Schrank mit Karteikarten. Sicher vor Hackerangriffen unD Stromausfällen: die Karteikarten werden handschriftlich geführt in der Laichinger
Sicher vor Hackerangriffen und Stromausfällen: die Karteikarten werden in der Laichinger Physiotherapiepraxis von Karl Kresse handschriftlich geführt.

Wenn die Digitalisierungspflicht kommt, hört er auf

Seit 2018 kämpft Kai Kresse dafür, die Digitalisierung seiner Praxis zu verhindern. Er schreibt an Verbände, an Kollegen, an das Bundesgesundheitsministerium. Auch mit Kollegen ist er in Kontakt. Einigen geht es ähnlich.

Wenn die Digitalisierungspflicht kommt, werde ich meine Zulassung zurückgeben. Und da bin ich nicht der einzige.

Diejenigen, die in den nächsten vier bis fünf Jahren in Rente gehen wollen, sträuben sich, erzählt der Physiotherapeut: "Wenn die Digitalisierungspflicht kommt, werde ich meine Zulassung zurückgeben. Und da bin ich nicht der einzige." Noch habe er aber Hoffnung auf einen Kompromiss.

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