
SWR: Herr Professor Riegel, was packen Sie als erstes an?
Harald Riegel: Wissen Sie, wir sind eine ganz hervorragend aufgestellte Hochschule. Nach Rankingergebnissen bei den Lehrindikatoren gehören wir zu den Top-Ten-Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Das Gleiche gilt für die Forschung, was das Einwerben von Drittmitteln angeht. Oder eben auch bei der Gründerhochschule. Wir haben eine sehr positive Atmosphäre für Gründungen. Und das heißt: Ich gehe genau den Weg, den wir jetzt 14 Jahre mit unserem Rektor Schneider gegangen sind. Und damit möchte ich Kontinuität gewährleisten.
Sie gelten als leidenschaftlicher Forscher, etwa im Bereich Laser, Sie haben mehr als 6 Millionen Euro aus der Industrie eingeworben, kann die Nähe zur Wirtschaft auch zu groß werden?
Das ist ein guter Punkt. Tatsächlich sind diese viele Millionen Euro nicht aus der Wirtschaft gekommen, sondern das sind Drittmittel, die vor allem vom Bundesforschungsministerium kommen. Es gibt Forschungsprojekte, wo die Industrie 20 Prozent Cash-Beitrag liefern muss. Aber dadurch entsteht, glaube ich, keine Abhängigkeit. Da können wir ganz beruhigt sagen, wir machen das, was gesellschaftlich relevant ist und bringen die Gesellschaft voran.
Was ist denn aus Ihrer Sicht für die Hochschule so gesellschaftlich relevant?
Wenn Sie von meinem Labor ausgehen, da arbeiten wir jetzt in der Elektromobilität und haben zum Beispiel ein großes Forschungsprojekt zur Schnellladefähigkeit von Lithium-Ionen-Batterien, wo wir auch sehr, sehr gute Erfolge haben. Und dann sind wir natürlich breit aufgestellt: mit drei Fakultäten im technischen Bereich, mit einer Fakultät der Wirtschaftswissenschaften, wo die meisten Studierenden sich befinden. Und wir haben auch eine Chemie-Fakultät. Überall dort werden die Forschungsprojekte vorangetrieben.
Die Mehrheit Ihrer 6.000 Studierenden ist männlich, es geht eben um Naturwissenschaft und Technik. Wie können Sie mehr weiblichen Nachwuchs an Ihre Hochschule locken?
Da haben wir unterschiedliche Herangehensweisen. Das eine ist: Wir haben innerhalb der Wirtschaftswissenschaften den Bereich Gesundheit. Da gibt es mehrere Bachelor-Studiengänge. Und dort haben wir einen Studentinnen-Anteil von 80 Prozent. Im Maschinenbau ist es tatsächlich so, wie Sie sagen. Das ist eine Männerdomäne. Aber da haben wir zuletzt eigentlich nur Professorinnen berufen. Das ist nämlich auch eine Sache, die sich langfristig bemerkbar macht. Und für die Studentinnen, die da sind, haben wir ein tolles Programm, das heißt "Karriere-Mentoring". Die kriegen ein 1:1-Coaching, so dass sie dann auch gut gerüstet für die Industrie sind - zusätzlich zum Studium.
Jetzt haben wir fast zwei Jahre Pandemie mit Lockdowns. Wie ist denn das Verhältnis der Studierenden zur Hochschule? Hat die Form von Online-Vorlesungen etwas verändert?
Ich glaube, das verändert bei uns allen etwas. Digitalisierung ist gut, toll und klasse. Aber gleichzeitigt ist ein Campus ein Ort der Begegnung. Wir sind eine Präsenzhochschule. Und da leiden wir schon darunter. Und wir müssen zusehen, dass wir so schnell wie möglich zurückkommen. Aber es ist im Moment gemischt: Wir haben Studentinnen und Studenten an Bord. Und andere sind zu Hause und verfolgen das Ganze online. So sind wir ein bisschen ausgedünnt. Und wenn dann irgendwo ein Virus ist, dann überträgt er sich nicht gleich auf alle!