Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs haben die Nationalsozialisten noch zahlreiche Menschen ermordet. Auch in der Region Ulm und auf der Ostalb. Mit mehreren Veranstaltungen wurde an die Opfer erinnert, darunter KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter.
Gedenken an Zwangsarbeiter Joseph Weiss - sein "Verbrechen": Filzstiefel mitgenommen
Es war am 19. April 1945, knapp drei Wochen, bevor die Deutsche Wehrmacht bedingungslos kapituliert. An diesem Tag wird François Joseph Weiss im Innenhof des Untersuchungsgefängnisses im Frauengraben 4 in Ulm hingerichtet. Seinen Leichnam hängten die Nazis zur Abschreckung an einen Ahornbaum nahe des heutigen Humboldt- und des Kepler-Gymnasiums.

Mitarbeiter des Ulmer Stadtarchivs haben intensiv zum Schicksal von François Joseph Weiss recherchiert. Er war als Zwangsarbeiter nach Ulm verschleppt worden. Der gebürtige Elsässer musste damals auf dem Güterbahnhof Zwangsarbeit leisten. Nach dem alliierten Bombenangriff am 15. April 1945 suchte er in den Waggons nach Essbarem und was sich sonst brauchen ließ - so wie viele Ulmer.
Er nahm ein Paar Filzstiefel an sich, wurde dabei aber von zwei Jugendlichen beobachtet. Einer von ihnen war Bewacher der Zwangsarbeiter und kannte Weiss. Sie zeigten ihn bei der Polizei an. Da er wegen seiner Deutschkenntnisse so etwas wie der Sprecher der Zwangsarbeiter war, war er bei den Wachmannschaften unbeliebt. Das könnte den Nachforschungen des Stadtarchivs zufolge der Grund sein, warum die beiden Männer ihn verraten hatten.
Zwangsarbeiter von Standgericht zum Tod verurteilt
Ein extra einberufenes Standgericht aus SS-, NSDAP- und Gestapoleuten verurteilt den 25-jährigen Ehemann und Vater zweier kleiner Kinder zum Tod. Zwei mutmaßlich russische Zwangsarbeiter mussten die Tötung von François Joseph Weiss vornehmen - am frühen Morgen des 19. April 1945 im Innenhof des noch heute als solches genutzten Untersuchungsgefängnisses. Anschließend hängen die Nazis seinen Leichnam zur Abschreckung an einen Ahornbaum nahe des heutigen Humboldt- und des Kepler-Gymnasiums. Um den Hals hängen sie ihm ein Schild mit der Aufschrift "Plünderer".

Mahnmal erinnert künftig an den ermordeten Zwangsarbeiter
Die Stadt Ulm ging auf die beiden Gymnasien zu, die heute an der Stelle des Ahornbaums stehen. An den Schulen wurde ein Kunstwettbewerb durchgeführt. Der Siegerentwurf ist ein Mahnmal aus einem metallenen Ahornblatt und steinernen Stiefeln. Am Samstagmittag ist das Mahnmal feierlich enthüllt worden.
Unter den Gästen war der französische Generalkonsul Gael de Maisonneuve. Durch Zufall hatte auch ein Nachfahre von François Joseph Weiss von dem Engagement in Ulm erfahren: Der Großneffe von Weiss, Sébastian Hestin.
Hestin ist aus dem elsässischen Mulhouse nach Ulm gereist - für ihn ein sehr emotionaler Moment:
Auch in Langenau wurde ein französischer Zwangsarbeiter hingerichtet
Auf dem Marktplatz von Langenau im Alb-Donau-Kreis gibt es bereits ein Mahnmal: Seit 2013 erinnert eine Gedenktafel an Francis Bioret. Auch er war aus Frankreich verschleppter Zwangsarbeiter. Der gelernte Friseur arbeitete bei einem Schlossermeister. Weil der ihn misshandelte, drohte ihm Bioret. Der Schlosser zeigte den 22-Jährigen bei der SS an. Am 13. April 1945 wurde Bioret verhaftet. Noch am selben Abend trat ein Standgericht in einer Langenauer Gaststätte zusammen und verurteilte ihn zum Tod durch Erhängen.

An einem eilig auf dem Marktplatz aufgebauten Galgen wurde Francis Bioret aufgehängt. Nach unterschiedlichen Augenzeugenberichten sollen die Nazis den Leichnam zwischen zwei und fünf Tage lang hängen gelassen haben. Auf der Gedenktafel sind Biorets Schuhe zu sehen. Sie waren dem Gehängten von den Füßen gefallen. So lange er hing, sollen sie unter ihm am Boden gelegen haben.
Todesmarsch von KZ-Häftlingen führt durch Ellwangen
Auch im heutigen Ostalbkreis haben die Nazis noch kurz vor Kriegsende Menschen ermordet. Vom KZ Hessental bei Schwäbisch Hall treiben SS-Männer etwa 800 Häftlinge ins KZ Dachau, die meisten sind polnische Juden. Wegen der vorrückenden alliierten Truppen hatte die SS das KZ Hessental aufgelöst. Die entkräfteten und ausgemergelten Menschen wurden von den Wachen auf dem Weg gedemütigt, geprügelt - und viele auch erschossen, weiß Peter Maile vom Ellwanger Friedensforum.
20 tote und acht noch lebende Gefangene fuhren die SS-Leute in eine Sandgrube bei Rainau-Dalkingen, wo die lebenden erschossen und zusammen mit den Toten begraben wurden. Bei Ellwangen-Neunheim ermordeten die Wachleute weitere 23 Häftlinge. In einem Steinbruch haben sie sie verscharrt.