Hinrichtung von Zwangsarbeitern

Nazi-Morde kurz vor Kriegsende - Gedenken in Ulm, Langenau und Ellwangen

Stand

Von Autor/in Frank Polifke

Noch in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs ermorden die Nazis viele Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge. In Ulm, Langenau und Ellwangen wurde der Opfer des Terrorregimes gedacht.

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs haben die Nationalsozialisten noch zahlreiche Menschen ermordet. Auch in der Region Ulm und auf der Ostalb. Mit mehreren Veranstaltungen wurde an die Opfer erinnert, darunter KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter.

Gedenken an Zwangsarbeiter Joseph Weiss - sein "Verbrechen": Filzstiefel mitgenommen

Es war am 19. April 1945, knapp drei Wochen, bevor die Deutsche Wehrmacht bedingungslos kapituliert. An diesem Tag wird François Joseph Weiss im Innenhof des Untersuchungsgefängnisses im Frauengraben 4 in Ulm hingerichtet. Seinen Leichnam hängten die Nazis zur Abschreckung an einen Ahornbaum nahe des heutigen Humboldt- und des Kepler-Gymnasiums.

Das Mahnmal von Joseph Weiss in Ulm erinnert an die Ermordung von Zangsarbeiten kurz vor Kriegsende ruch die Nazis.
Ein Mahnmal in Ulm erinnert an den ermordeten Zwangsarbeiter Joseph Weiss, der mit einem Schild "Plünderer" um den Hals an einem Ahornbaum gehängt wurde, weil er ein Paar Filzstiefel mitgenommen hatte. Darauf verweist das Mahnmal mit einem metallenen Ahornblatt und steinernen Stiefeln.

Mitarbeiter des Ulmer Stadtarchivs haben intensiv zum Schicksal von François Joseph Weiss recherchiert. Er war als Zwangsarbeiter nach Ulm verschleppt worden. Der gebürtige Elsässer musste damals auf dem Güterbahnhof Zwangsarbeit leisten. Nach dem alliierten Bombenangriff am 15. April 1945 suchte er in den Waggons nach Essbarem und was sich sonst brauchen ließ - so wie viele Ulmer.

Er nahm ein Paar Filzstiefel an sich, wurde dabei aber von zwei Jugendlichen beobachtet. Einer von ihnen war Bewacher der Zwangsarbeiter und kannte Weiss. Sie zeigten ihn bei der Polizei an. Da er wegen seiner Deutschkenntnisse so etwas wie der Sprecher der Zwangsarbeiter war, war er bei den Wachmannschaften unbeliebt. Das könnte den Nachforschungen des Stadtarchivs zufolge der Grund sein, warum die beiden Männer ihn verraten hatten.

Zwangsarbeiter von Standgericht zum Tod verurteilt

Ein extra einberufenes Standgericht aus SS-, NSDAP- und Gestapoleuten verurteilt den 25-jährigen Ehemann und Vater zweier kleiner Kinder zum Tod. Zwei mutmaßlich russische Zwangsarbeiter mussten die Tötung von François Joseph Weiss vornehmen - am frühen Morgen des 19. April 1945 im Innenhof des noch heute als solches genutzten Untersuchungsgefängnisses. Anschließend hängen die Nazis seinen Leichnam zur Abschreckung an einen Ahornbaum nahe des heutigen Humboldt- und des Kepler-Gymnasiums. Um den Hals hängen sie ihm ein Schild mit der Aufschrift "Plünderer".

Die am 24.4.1945 in Ulm einrückenden amerikanischen Soldaten werden von Zwangsarbeitern als Befreier freudig begrüßt.
Die am 24.4.1945 in Ulm einrückenden amerikanischen Soldaten werden von Zwangsarbeitern als Befreier freudig begrüßt.

Mahnmal erinnert künftig an den ermordeten Zwangsarbeiter

Die Stadt Ulm ging auf die beiden Gymnasien zu, die heute an der Stelle des Ahornbaums stehen. An den Schulen wurde ein Kunstwettbewerb durchgeführt. Der Siegerentwurf ist ein Mahnmal aus einem metallenen Ahornblatt und steinernen Stiefeln. Am Samstagmittag ist das Mahnmal feierlich enthüllt worden.

Unter den Gästen war der französische Generalkonsul Gael de Maisonneuve. Durch Zufall hatte auch ein Nachfahre von François Joseph Weiss von dem Engagement in Ulm erfahren: Der Großneffe von Weiss, Sébastian Hestin.

Hestin ist aus dem elsässischen Mulhouse nach Ulm gereist - für ihn ein sehr emotionaler Moment:

Auch in Langenau wurde ein französischer Zwangsarbeiter hingerichtet

Auf dem Marktplatz von Langenau im Alb-Donau-Kreis gibt es bereits ein Mahnmal: Seit 2013 erinnert eine Gedenktafel an Francis Bioret. Auch er war aus Frankreich verschleppter Zwangsarbeiter. Der gelernte Friseur arbeitete bei einem Schlossermeister. Weil der ihn misshandelte, drohte ihm Bioret. Der Schlosser zeigte den 22-Jährigen bei der SS an. Am 13. April 1945 wurde Bioret verhaftet. Noch am selben Abend trat ein Standgericht in einer Langenauer Gaststätte zusammen und verurteilte ihn zum Tod durch Erhängen.

Eine Gedenktafel zeigt den Namen des französischen Zwangsarbeiters Francis Bioret, der am 13. April 1945 wenige Tage vor Kriegsende im Alter von 22 Jahren von der SS erhängt wurde. Auch zu sehen: Schuhe, Ball und Feder.
Eine Gedenktafel zeigt den Namen des französischen Zwangsarbeiters Francis Bioret, der am 13. April 1945 wenige Tage vor Kriegsende im Alter von 22 Jahren von der SS erhängt wurde.

An einem eilig auf dem Marktplatz aufgebauten Galgen wurde Francis Bioret aufgehängt. Nach unterschiedlichen Augenzeugenberichten sollen die Nazis den Leichnam zwischen zwei und fünf Tage lang hängen gelassen haben. Auf der Gedenktafel sind Biorets Schuhe zu sehen. Sie waren dem Gehängten von den Füßen gefallen. So lange er hing, sollen sie unter ihm am Boden gelegen haben.

Todesmarsch von KZ-Häftlingen führt durch Ellwangen

Auch im heutigen Ostalbkreis haben die Nazis noch kurz vor Kriegsende Menschen ermordet. Vom KZ Hessental bei Schwäbisch Hall treiben SS-Männer etwa 800 Häftlinge ins KZ Dachau, die meisten sind polnische Juden. Wegen der vorrückenden alliierten Truppen hatte die SS das KZ Hessental aufgelöst. Die entkräfteten und ausgemergelten Menschen wurden von den Wachen auf dem Weg gedemütigt, geprügelt - und viele auch erschossen, weiß Peter Maile vom Ellwanger Friedensforum.

20 tote und acht noch lebende Gefangene fuhren die SS-Leute in eine Sandgrube bei Rainau-Dalkingen, wo die lebenden erschossen und zusammen mit den Toten begraben wurden. Bei Ellwangen-Neunheim ermordeten die Wachleute weitere 23 Häftlinge. In einem Steinbruch haben sie sie verscharrt.

Freiburg

Mit vielen Zeitzeugenberichten 80 Jahre nach Kriegsende: NS-Dokuzentrum in Freiburg eröffnet

Nach langer Planungs- und Bauzeit öffnet das NS-Dokumentationszentrum in Freiburg seine Tore. Das Haus will an die Verbrechen der NS-Diktatur erinnern, ein Lern- und Gedenkort sein.

Leben | Kinder des Krieges (2/5) Kindheit im Lager - Die Überlebenden des Holocaust

Josef ist sechs, als er 1944 vom KZ Flossenbürg auf einen Todesmarsch geschickt wird. Helga wird mit 14 nach Auschwitz deportiert. Vera erlebt das Kriegsende im KZ Theresienstadt.

SWR2 Leben SWR2

Mannheim

Erinnerungen ans Ende des Zweiten Weltkriegs Erzählcafé in Mannheim: Zeitzeugen berichten vom Kriegsende

Einmal im Monat besuchen Mitarbeiter des Mannheimer MARCHIVUM ein Altenheim. Beim letzten Treffen haben sie gemeinsam mit den Senioren über die Nachkriegszeit gesprochen.

SWR Aktuell Baden-Württemberg SWR BW

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent. 

Südwesten

Aktuell, regional, multimedial Die SWR Aktuell-App - Nachrichten auf Handy und Tablet

Die SWR Aktuell-App bringt aktuelle und regionale Nachrichten aus dem Südwesten aufs Smartphone und Tablet. Alle Details zur App und die Links zum Download gibt es hier.

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.