Als älterer Mensch möchte man vermutlich so lange wie möglich zuhause leben, fit bleiben und möglichst nie ins Pflegeheim müssen. Damit das gelingt, haben die Uniklinik in Ulm und die Geriatrische Klinik Bethesda vor einem halben Jahr ein Projekt gestartet mit einem speziellen Training für Seniorinnen und Senioren daheim. Das Projekt "Prometheus" wird mit fast vier Millionen Euro gefördert. Die Region rund um Ulm soll als Modell gelten. Federführend in dem Projekt ist Professor Michael Denkinger, Ärztlicher Direktor der Bethesda-Klinik in Ulm. Er hat auch einen Lehrstuhl am Institut für geriatrische Forschung der Universität Ulm.
SWR: Wie viele Seniorinnen und Senioren in und um Ulm erhalten derzeit so ein Training mit gezielten Übungen für Zuhause?
Professor Michael Denkinger: Wir haben sechzig Menschen einbeziehen können in die Studie. Wir sind da sehr zufrieden, zumal es gerade in der Coronazeit nicht nur für die Kliniken, sondern auch für solche Forschungsprojekte vor allem mit älteren Menschen schwierig ist. Da sind viele Dinge zu beachten und viele Leute möchten auch nicht so gerne Besuch bekommen. Aber diejenigen, die mitmachen, trainieren fleißig und sind sehr zufrieden. Die Rückmeldung ist sehr zuversichtlich und sehr gut in letzter Zeit.
Welche ersten Erfahrungen machen Sie? Werden die Menschen tatsächlich fitter und beweglicher?
Da bin ich natürlich als Wissenschaftler sehr vorsichtig, weil wir natürlich die Ergebnisse der Studie nicht vorwegnehmen können. Aber ich weiß, dass wir aus anderen Studien, wo wir jetzt nicht genau diese Herangehensweise der gebrechlichen Menschen zu Hause gewählt haben, sondern zum Beispiel auch Menschen in Krankenhäusern, in Pflegeheimen, dass wir sehr gute Erfahrungen machen mit dem Training älterer Menschen bis auch zu leicht dementen Patienten. Man kann wirklich viele wichtige Punkte wie zum Beispiel, dass man eben nicht in ein Pflegeheim eingewiesen wird, dass man länger zuhause leben kann, durch so ein Training sehr weit nach hinten hinauszögern, auch bis zu einem Jahr oder zwei Jahre, wenn man ein solches Training bekommen hat.
Die wissenschaftlichen Ergebnisse stehen noch nicht fest. Auf welche Erkenntnisse hoffen Sie?
Ich hoffe sehr. dass man zeigen kann, dass die Menschen, die dieses Training mitgemacht haben, a) länger zu hause sind, b) glücklicher und zufriedener und c) auch mobiler sind. Also mit ihrem körperlichen Zustand zufriedener und auch aktiver zuhause ihre alltäglichen Dinge erledigen können. Und dass sie natürlich auch länger leben.
Wer jetzt Interesse hat, noch mitzumachen: Geht das?
Ja, das geht. Wir suchen immer noch. Auch wegen Corona haben wir die Rekrutierungsphase verlängern müssen. Wir wollen noch etwa vierzig Menschen in die Studie einbeziehen. Diese Menschen müssen etwas gebrechlich sein, also das Gefühl haben, dass es zuhause nicht mehr so gut geht. Und sie müssen bei der AOK Baden-Württemberg versichert sein.
Die erste Spritze gegen Corona wurde am 27. Dezember 2020 im Pflegeheim der Bethesda-Klinik in Ulm gesetzt. Eine 103-Jährige ließ sich damals vor laufender Kamera impfen. Werden inzwischen in Ihrem Hause schon die vierten Impfungen verabreicht?
In der Tat ja, und zwar nicht nur im Pflegeheim, sondern auch bei den Patienten im Krankenhaus, wenn sie das denn möchten. Ich würde sagen, es ist ungefähr die Hälfte, die Interesse an einer vierten Impfung hat.
Viel diskutiert ist die Impfpflicht für Beschäftigte. Gibt es bei ihnen noch ungeimpftes Personal?
Ja, aber sehr wenig. Ich glaube, wir haben eine Atmosphäre im Haus, dass die allermeisten doch sehr gemeinschaftlich vorgehen. Wir haben da wirklich eine sehr gute Quote im Bereich zwischen 95 und 99 Prozent.
Aber mit den ganz wenigen Ungeimpften haben sie jetzt ein Problem?
Das Problem besteht und damit müssen wir jetzt auch umgehen. Wir haben keine sofortige Freistellung bei den Betroffenen. Trotz ihrer kritischen Einstellung zur Impfung sind sie sehr zuverlässig, was die tägliche Testung angeht. Es gibt aber auch die eine oder andere Kündigung, weil der- oder diejenige gesagt haben, sie möchten mit solchen Pflichten grundsätzlich nicht mehr im Gesundheitswesen arbeiten. Und dann können wir natürlich auch nichts dagegen tun.