Thomas Mertens von der Stiko geht bei den Affenpocken nicht von einer Pandemie wie beim Coronavirus aus (Foto: IMAGO, IMAGO / IPON)

Bei Impfung viele Fragen offen

STIKO-Chef Mertens: Affenpocken nicht so gefährlich wie Coronavirus

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Jürgen Klotz
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Volker Wüst
Volker Wüst (Foto: SWR, SWR - Alexander Kluge)

Die Schlagzeilen zur Ausbreitung der Affenpocken in Deutschland klingen beunruhigend, das Gesundheitsministerium rechnet mit weiteren Fällen. Das sagt der STIKO-Vorsitzende Thomas Mertens dazu.

Im SWR-Interview erklärt der Ulmer Virologe, welche Impfung vor den Affenpocken schützt und warum er die Gefahr nicht so groß einschätzt wie beim Coronavirus. Daneben ist am Montag der erste Fall von Affenpocken in Baden-Württemberg nachgewiesen worden.

SWR: Wie groß ist Ihre Sorge bei den Affenpocken?

Thomas Mertens: Nicht so groß wie beim Coronavirus. Denn die Viren unterscheiden sich erheblich. Ich glaube, kein Fachmann nimmt an, dass man mit diesem Virus eine ähnliche Situation erleben wird wie mit Corona.

Die WHO schätzt die Affenpocken nicht als Pandemie ein - Sie auch nicht?

Nein. Es ist ja auch etwas anderes. Etwa 30 bis 40 Prozent unserer Bevölkerung sind früher gegen die Pocken geimpft worden. Und man weiß, dass dieser Impfschutz auch gegen dieses Affenpockenvirus wirksam ist.

"Der Übertragungsweg bei den Affenpocken ist sehr viel eingeschränkter als bei Coronaviren."

Ist das Risiko auch deswegen kleiner, weil sich die Affenpocken anders verbreiten?

Ganz genau. Der Übertragungsweg bei den Affenpocken ist sehr viel eingeschränkter als bei Coronaviren, die sehr leicht über die Luft übertragen werden. Der Übertragungsweg bei den Affenpocken erfordert schon einen wesentlich engeren Kontakt zwischen dem Infizierenden und dem Infizierten.

Sie haben die Pockenimpfung angesprochen, die viele von uns haben. Macht, wie bei der Corona-Impfung, eine Auffrischung Sinn?

Man muss sich zunächst über den Impfstoff klar werden, den man gegebenenfalls einsetzen möchte. Es gibt noch den alten, klassischen Pockenimpfstoff, der in Deutschland derzeit nicht zugelassen ist. Dieser Impfstoff hat den Nachteil, dass er bei Menschen, die zum ersten Mal geimpft werden, eine ganze Reihe von Nebenwirkungen verursachen kann. Das war bekannt, es gab ja eine gesetzliche Impfpflicht auch in Deutschland. Es gibt aber darüber hinaus einen veränderten Impfstoff, der übrigens zum großen Teil in Deutschland vor vielen Jahren entwickelt worden ist. Der ist sehr stark abgeschwächt und kann sich nicht gut im Menschen vermehren. Wir müssen also erst klären: Welchen Impfstoff kann man erhalten? Wie schützt dieser Impfstoff vor den Affenpocken? Und wen soll man impfen? Ich glaube nicht, dass es jetzt Sinn macht, sich Gedanken darüber zu machen, die ganze Bevölkerung im Augenblick gegen Pocken zu impfen.

Wer schon Windpocken hatte, ist der gegen Affenpocken geschützt?

Das sind zwei ganz unterschiedliche Viren. Die haben trotz des Namens überhaupt nichts miteinander zu tun. Die Windpocken sind ein Herpesvirus. Die Affenpocken dagegen sind Verwandte des ursprünglichen Menschenpockenvirus, das durch Impfung weltweit ausgerottet worden ist.

"Die Gefahr einer pandemischen Ausbreitung halte ich für nicht groß."

Abschließend noch einmal: Wie groß muss bei uns die Sorge sein, wie würden Sie es einschätzen?

Die Gefahr einer pandemischen Ausbreitung halte ich für nicht groß. Aber ich gehe davon aus, dass sich schon etliche Menschen in Deutschland infiziert haben - über enge Kontakte - und dass man in der nächsten Zeit weitere Fälle identifizieren wird.

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