Keine allgemeine Impfempfehlung für Kinder

STIKO-Chef Mertens: Corona "für Kinder nicht bedrohlich"

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Annette Schmidt
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Rainer Schlenz

Die STIKO will eine Corona-Impfung nur für Kinder mit Vorerkrankung empfehlen. Die Reaktionen darauf gehen weit auseinander. STIKO-Chef Mertens aus Ulm hat die Empfehlung im SWR-Interview erläutert.

Thomas Mertens (Foto: SWR)
Immer wieder betont der Chef der Ständigen Impfkommission, der Virologe Prof. Dr. Thomas Mertens, worauf die Empfehlungen des Gremiums beruhen: Allein auf der jeweils aktuellen Datenlage. Und dies sei auch jetzt der Fall.

SWR: Herr Professor Mertens, die STIKO hat sich am Donnerstag zur Corona-Impfung von Fünf- bis Elfjährigen geäußert. Wie genau sieht Ihre Empfehlung denn aus?

Prof. Thomas Mertens: Wir empfehlen die Impfung für die Fünf- bis Elfjährigen mit Vorerkrankung. Und für Kinder, die in Gemeinschaften leben, wo Menschen sind, zum Beispiel die Eltern, die ein großes Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung haben, und die selbst nicht durch die Impfung geschützt werden können. Wir haben darüber hinaus auch die Möglichkeit eröffnet, dass sich Eltern und Kinder für eine Impfung entscheiden können - auch wenn es sich um gesunde Kinder handelt.

Sie schränken die Empfehlung also erstmal ein auf die chronisch kranken und besonders gefährdeten Kinder beziehen. Warum tun Sie das?

"Die gesamte Datenlage, die wir sehr genau analysiert haben, scheint uns im Augenblick eine generelle Impfempfehlung in dieser Altersgruppe nicht zu rechtfertigen."

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Gibt es denn zu wenig Daten für diese Altersgruppe?

Wir haben alle Daten hinsichtlich der Krankheitslast bei diesen Kindern sehr genau zusammengetragen und analysiert und dabei auch alle Daten aus der derzeit in Deutschland laufenden sogenannten vierten Welle berücksichtigt. Und das zeigt, dass die Kinder kein großes Risiko haben für eine schwere Erkrankung. Es werden nur sehr wenig infizierte Kinder auch ins Krankenhaus aufgenommen - in der Größenordnung von 1 zu 10.000. Insgesamt ist also die Krankheit für die Kinder nicht bedrohlich. Wir haben auch Modellierungsdaten gesehen, die darauf hinweisen, dass die Impfung dieser Kinder für den weiteren Verlauf der Infektionsausbreitung in Deutschland keine sehr große Rolle spielt. Und zuletzt wissen wir noch nichts Abschließendes über die Sicherheit der Impfung in dieser Altersgruppe. Es gibt zwar keine konkreten Hinweise auf eine Gefährdung. Andererseits sind die Daten aus der Zulassungsstudie unzureichend, um seltene oder sehr seltene Risiken auszuschließen. Das weiß jeder. Und auch aus den Vereinigten Staaten, die ja schon etliche Kinder geimpft haben, gibt es keine Auswertung, die zeigen könnte, dass der Impfstoff wirklich völlig sicher ist in dieser Altersgruppe.

Eine Sorge ist ja, dass es womöglich zu seltenen Fällen einer Herzmuskelentzündung kommen könnte. Diese wurde ja schon bei 12- bis 17-Jährigen beobachtet. Warum können Sie die Gefahr bei Fünf- bis Elfjährigen noch nicht beurteilen?

Die Frage, inwieweit in dieser Altersgruppe nach der Impfung Herzmuskelentzündungen vorkommen, kann derzeit nicht abschließend beantwortet werden. Zum einen war die Anzahl der geimpften Kinder in der Zulassungsstudie wesentlich zu gering, um hierfür eine sichere Aussage machen zu können. Zum anderen muss man auch sagen, dass selbst bei den mittlerweile in den Vereinigten Staaten erstmalig geimpften Kindern bisher nur sehr wenige Myokarditisfälle beobachtet worden sind. Aber auch das lässt keine abschließende Beurteilung zu. Denn erstens sind praktisch kaum Kinder zweimalig geimpft worden in den Vereinigten Staaten. Und zum anderen hat auch das Spontanmeldeverfahren zu Nebenwirkungen, das es in den USA wie bei uns gibt, einen deutlichen Zeitverzug, was die Meldungen angeht.

Schon heute werden unter Zwölfjährige geimpft. Dafür nutzen Ärzte das sogenannte Off-Label-Verfahren. Was halten Sie davon?

Wenn es sich um Kinder gehandelt hat, die aufgrund schwerer Vorerkrankung für einen ungünstigen Covid-19-Krankheitsverlauf gefährdet sind, kann ich das verstehen. Ansonsten ist das problematisch, weil ein Off-Label-Gebrauch so lange besteht, wie der für Kinder konfektionierte Impfstoff nicht zur Verfügung steht.

Am Montag will der Bund die Impfkampagne für Kinder offiziell beginnen. Erste Länder und Kommunen haben ja bereits Aktionen angekündigt. Fällt das jetzt alles ins Wasser, weil doch erstmal nur die wenigen chronisch kranken Kinder Ihrer Empfehlung nach geimpft werden sollen?

Nein, zum einen sind es nicht so wenige Kinder, die chronisch krank sind, die also in diese Indikationsgruppe fallen. Zum anderen ist es ja auch so, dass wir in unserer Empfehlung es ermöglichen, dass auch Eltern und Kinder sich impfen lassen, die unbedingt diese Impfung wünschen, aus unterschiedlichsten Gründen.

Um das Ganze zusammenzufassen: Was fehlt denn nun zu einer allgemeinen Empfehlung für alle Kinder in dem Alter?

Zur allgemeinen Empfehlung fehlt die notwendige Sicherheit über die Sicherheit des Impfstoffes in dieser Altersgruppe.

"Und ich bitte zu bedenken, dass das keinesfalls ein zögerliches Handeln der STIKO ist, sondern das dient dem größtmöglichen Schutz und der größtmöglichen Sicherheit der Bevölkerung".

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