Ein neues Hilfsprojekt in Ulm wendet sich an straffällig gewordene Jugendliche. Die jungen Menschen entfernen im Rahmen ihrer Sozialstunden im "Lost-Graffiti-Project" Graffitis von Wänden und Unterführungen. Darunter sind auch Jugendliche, die sich etwa des Diebstahls oder der Körperverletzung schuldig gemacht haben. Sie sollen im Projekt so begleitet werden, dass das die einzigen Straftaten bleiben.
Graffitis wegschrubben: “Habe ich mir schlimmer vorgestellt”
In einer Unterführung geht es für mehrere Jugendliche richtig zur Sache: Im weißen Schutzanzug und mit Atemmaske versuchen sie, die knallrote Farbe an einer Kachelwand zu entfernen. In der Unterführung riecht es nach starken Reinigungsmitteln. Das liegt an der Zitronensäure, die hier zum Entfernen der illegalen Graffitis zum Einsatz kommt.

Nach stundenlangem Schrubben werden die Arme schwer - trotzdem sagt einer der Jugendlichen: "Ich hab’s mir schlimmer vorgestellt. Die Arbeit ist zwar richtig schwer, aber ich finde es eigentlich echt super hier. Vor allem die Betreuung - die sind alle sehr, sehr nett."
"Ich habe mich auch hier mit einigen angefreundet, das ist super.
So etwas hört Franziska Walk vom Verein "andere baustelle ulm" gerne. Die Sozialarbeiterin begleitet die jungen Leute bei ihrem Einsatz vor Ort. Und macht keinen Hehl daraus, dass sie anfangs ein wenig skeptisch war, ob alle dabeibleiben: "Aber wir sind hier wirklich ein gutes Team”, findet sie. Rund ein Dutzend Jugendliche hätten bereits beim "Lost-Graffiti-Project" mitgemacht.

"Lost-Graffiti-Project" - warum straffällige Jugendliche mehrfach profitieren
Das Projekt ist laut Staatsanwalt Michael Bischofberger im Herbst langsam angelaufen. Er verspricht sich gleich mehrere Vorteile: "Wir wollen erziehend einwirken, nicht strafen. Sondern gucken, dass der Jugendliche sieht, dass er zukünftig straffrei leben kann."
"Wir wollen erzieherisch einwirken, nicht strafen.
Bei den Jugendlichen im Projekt handele es sich nicht um 'Berufskriminelle', es seien junge Menschen, die mal mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Wenn man damit erzieherisch umgehen könne, dann habe es einfach den Mehrwert, dass es keine schweren Geschütze brauche, wie eine Anklage oder eine Arrestverbüßung.
Im besten Falle sei das Projekt für die straffällig gewordenen Jugendlichen dann der "letzte Kontakt zur Justiz", so Bischofberger.

Graffitis wegschrubben - Jugendliche werden pädagogisch begleitet
Bei der Aktion zähle vor allem der Gedanke, als Gemeinschaft für die Gemeinschaft etwas zu tun. Dabei werden die Jugendlichen pädagogisch begleitet, um von Anfang an einen Kontakt zu ihnen aufzubauen, erklärt Marion Schmid von der Geschäftsführung des Vereins "andere Baustelle ulm": "Dass man sich füreinander interessiert, wo es klemmt, was die Jugendlichen bewegt". Vor allem, weil diese nicht selten aus schwierigen familiären Verhältnissen kämen.
Werden die Jugendlichen erreicht?
Zudem sei das Thema Graffiti bei Jugendlichen häufig positiv besetzt, so Marion Schmid. Das helfe dabei, die Arbeit anzunehmen. Es falle leichter, mit den Jugendlichen eine Zuverlässigkeit einzuüben, die ihnen im späteren Leben helfen soll. Dabei gehe es auch um die Einhaltung von Abmachungen und Arbeitszeiten. Denn bei manchen sei der Alltag von Schule schwänzen und nächtelangen Computerspielen bestimmt.
Geregelter Alltag und neue Freundschaften
"Klar, ist nicht einfach, die Schrubberei, aber man sieht abends, was man geschafft hat. Ich habe mich auch mit einigen angefreundet, das ist super", erzählt ein Jugendlicher, der für mehrere Tage dabei ist. Man mache zusammen seine Pausen, gehe einen Kaffee trinken. Er denke jetzt wieder über seine Zukunft nach, habe berufliche Pläne. Jetzt wolle er erstmal anpacken - bis die Kacheln ganz weiß sind.
Das sei genau dieses "Plus" des Projektes, so Marion Schmid vom Verein "die andere baustelle ulm". Dass die Jugendlichen wieder neue Pläne und Perspektiven bekämen. Die Jugendlichen hätten durch die pädagogische Begleitung neue Bezugspersonen, die ihnen auch nach dem Projekt zur Seite stehen. Etwa, wenn es um die Gestaltung eines Berufsweges gehe, verspricht Schmid.
Momentan werden vor allem illegale Graffitis an öffentlichen Gebäuden, auch Schulen, entfernt. "Da sind wir noch in Planung, ob wir das Ganze vielleicht auch in der Zukunft für private Geschädigte anbieten können", so Michael Bischofberger von der Staatsanwaltschaft Ulm.