Das Klinikum Heidenheim umrahmt von herbstlichem Wald (Foto: SWR)

BW-Krankenhausgesellschaft fordert schnelle Hilfe

"Krankenhäuser liegen in der Notaufnahme"

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Rainer Schlenz
Rainer Schlenz (Foto: Spiesz-Design/Sabine Weinert-Spieß)

Viele Kliniken stehen vor der Insolvenz. Der Vorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft und Landrat des Alb-Donau-Kreises, Heiner Scheffold, schlägt Alarm.

Die baden-württembergischen Kliniken warnen angesichts dunkelroter Zahlen vor Krankenhaus-Insolvenzen. Der Handlungsbedarf ist nach Einschätzung des Chefs der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft, Heiner Scheffold, der auch Landrat des Alb-Donau-Kreises ist, enorm.

"Wenn die Finanzen der Krankenhäuser nicht umgehend stabilisiert werden, ist ein kalter Strukturwandel vorprogrammiert."

Scheffold: Kliniken machen gesunkene Fallpauschalen und gestiegene Kosten zu schaffen

Es ist nicht eine zukünftige Krankenhausreform, die Heiner Scheffold ins Visier nimmt. Es sind die derzeitigen Zustände, an denen er heftige Kritik übt. Und der Verursacher dieser Probleme ist für Scheffold eindeutig: Das Bundesgesundheitsministerium. Es sind vor allem drei Punkte, die er bemängelt.

  • Punkt 1: Das Bundesgesundheitsministerium habe "ohne sachliche Grundlage" die Fallpauschalen gesenkt, mit denen eine jede medizinische Leistung vergütet wird. Dadurch werde den Kliniken im Land 45 Millionen Euro entzogen.
  • Punkt 2: Die Berechnungsformel für den sogenannten Landesbasisfallwert, also den Preis der Krankenhausleistungen, sei "ungerechtfertigt verändert worden". Die entstehenden Kosten im laufenden Jahr liegen nach Einschätzung der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft bei 65 Millionen Euro.
  • Punkt 3: Die angekündigte Entlastung der Kliniken für die massiv gestiegenen Energiekosten komme nur in Bruchteilen oder gar nicht bei den Krankenhäusern an.
Heiner Scheffold, Landrat des Alb-Donau-Kreises (Foto: SWR)
Heiner Scheffold, der Vorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft und Landrat des Alb-Donau-Kreises, hat erneut in deutlicher Form den Umgang mit den Kliniken kritisiert.

Heiner Scheffold befürchtet "kalten Strukturwandel"

Scheffold befürchtet angesichts der Finanznot der Krankenhäuser ein massives Kliniksterben: "Wenn die Finanzen der Krankenhäuser nicht umgehend stabilisiert werden, ist ein kalter Strukturwandel vorprogrammiert", sagte er. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach müsse die Absenkungen der Vergütungen ebenso zurücknehmen wie die Änderungen beim Landesbasisfallwert. Außerdem müssten die Entlastungen der Kliniken für die hohen Energiekosten "in vollem Umfang und schnell ankommen."

"Die Krankenhäuser liegen im Schockraum der Notaufnahme und viele Kliniken werden die politische Therapie des Abwartens nicht überleben".

Auch Oberbürgermeister fordern bessere Finanzierung der Kliniken

Scheffold steht mit seinen Befürchtungen, seiner Kritik und seinen Forderungen nicht alleine da: Auch die Oberbürgermeister baden-württembergischer Städte fordern eine bessere Klinikfinanzierung.

Das Klinikum Heidenheim umrahmt von herbstlichem Wald (Foto: SWR)
Auch das Klinikum Heidenheim bewertet die Situation der Krankenhäuser als dramatisch.

Bestätigt werden Scheffolds Anmerkungen zu den Kliniken im Land auch auf regionaler Ebene. Das Klinikum Heidenheim warnt vor einem Finanzkollaps der Krankenhäuser im Land. Die Fallpauschalen, also die Einnahmen sinken, gleichzeitig stiegen die Kosten massiv, so der Geschäftsführer des Klinikums Heidenheim, Dennis Göbel. Die gestiegenen Sachkosten etwa durch die Inflation werden in keiner Weise kompensiert. Auch der von der Bundesregierung versprochene Ausgleich für die Energiekosten komme im Krankenhaus nicht an. Gleichzeitig kommen bedingt durch die Pandemie immer weniger Patienten stationär ins Klinikum. Auch dadurch komme immer weniger Geld in die Häuser. Die Patientenzahlen von vor 2019 werden jedenfalls noch nicht wieder erreicht - sollten sie überhaupt je wieder erreicht werden, so Göbel.

Und auch auf Bayerischer Seite spricht man von "massiven Defiziten" der Kliniken. Es sei ein "Wahnsinn, was auf die Kliniken zurast", sagt Eduard Fuchshuber, der Sprecher der Bayerischen Krankenhausgesellschaft. Die Situation in Baden-Württemberg könne man eins zu eins auf Bayern übertragen, meint Fuchshuber und nennt ein plakatives Beispiel für die Kostenexplosion, mit der die Kliniken fertig werden müssten: Vor Corona kostete ein Skalpell 90 Cent, heutzutage liegen die Kosten bei zehn Euro.

"Es ist ein Wahnsinn, was auf die Kliniken zurast!"

Zuvor hatte bereits die "Deutsche Krankenhausgesellschaft" DKG auf gestiegene Kosten durch die Inflation hingewiesen. Die Kliniken stehen nach Ansicht des DKG-Chefs Gerald Gaß vor dem Kollaps und Hilfe sei nicht in Sicht: "Die Krankenhäuser liegen im Schockraum der Notaufnahme und viele Kliniken werden die politische Therapie des Abwartens nicht überleben".

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