Triageteams und verschobene Operationen

Angespannte Lage in den Kliniken zwischen Aalen und Ulm

STAND
AUTOR/IN
Hannah Schulze

Die Pandemie stellt Intensivstationen vor besondere Herausforderungen. Manche, wie in Neu-Ulm, bereiten sich bei der Patientenaufnahme auf Triage - eine Sortierung nach Dringlichkeit - vor.

Eine Pflegekraft bedient einen Monitor auf einer Intensivstation Auf dem Kongress zum Pflegemanagement in Ulm geht es um die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte  (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance dpa dpa-Zentralbild Robert Michael)
Das Pflegepersonal auf den in Intensivstationen kommt an seine Kapazitätsgrenzen. (Symbolbild)

Um die Versorgung der Covid-19-Patientinnen und -Patienten sicherzustellen, verschieben die Kliniken Ostalb planbare Operationen. Seit Montag sind die klinischen Ambulanzen geschlossen. Ausgenommen sind die onkologischen Tageskliniken und die Notfallambulanzen. Von insgesamt 31 Intensivbetten sind hier 29 belegt, elf davon mit Corona-Patienten.

"Es ist tatsächlich so, dass diese elf Covid-Patienten schon eine sehr, sehr große Belastung für die Kliniken Ostalb sind."

Durch die Umstrukturierung und Verschiebung von Operationen habe man mehr Luft für Notfälle bekommen. Insgesamt sei die Lage aber ernst, meint Professor Ulrich Solzbach, Vorstand der Kliniken Ostalb. Und nicht nur auf der Ostalb. Landesweit ist die Zahl der Intensivpatientinnen und -Patienten mit COVID-19 im Laufe einer Woche um zwanzig Prozent gestiegen.

Ethikkomission im Universitätsklinikum in Ulm

Im Universitätsklinikum Ulm werden aktuell 35 Covid-19-Patienten versorgt, neun davon liegen auf der Intensivstation. Auch hier müssen erneut planbare Eingriffe verschoben werden. Die Akut- und Notfallversorgung ist davon nicht betroffen. Bislang reiche die Versorgung noch aus, so Professor Eberhard Barth, Leiter der Corona-Intensivstation in Ulm. Man erwarte, dass weitere Patienten aus der Region nach Ulm verlegt werden. Falls die Zahlen massiv zunehmen sollten, müsse priorisiert werden. Dafür laufen schon Gespräche mit der Ethik-Komission des Universtitätsklinikums Ulm.

"Wir richten ein klinisches Ethikkomitee ein, um gegebenenfalls zu diskutieren, welche Versorgung macht bei welchem Patienten Sinn."

Von der Vorbereitung auf eine Triage möchte der Leiter der Corona-Intensivstation jedoch nicht sprechen. Wenn die Ressourcen knapp werden, müsse immer die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von Eingriffen hinterfragt werden. Das Ethik-Komitee, das interprofessionell und interdisziplinär besetzt ist, soll bei diesen Diskussionen in Zukunft unterstützen.

Triage in Kliniken im Landkreis Neu-Ulm?

Die Kliniken im Landkreis Neu-Ulm bereiten sich mit der Gründung von Triageteams auf die Überlastung der Intensivstationen vor. Aktuell seien diese Teams noch nicht etabliert, heißt es in einer Meldung der Kreisspitalstiftung. Ein Triageteam könnte beispielsweise aus zwei Ärzten mit Intensiverfahrung, einer Intensivpflegekraft und einem Vertreter eines Ethikgremiums zusammengesetzt sein. Die Vorbereitungen für die Triageteams seien bisher "rein präventiv".

Im Landkreis Günzburg gibt es nur noch ein freies Bett für Covid-Patienten auf den Intensivstationen. Seit mehreren Wochen müssen regelmäßig Patienten in andere Landkreise verlegt werden, so der ärztliche Direktor des Klinikums Günzburg Ulrich Kugelmann.

Besucherstopp in Kliniken

Die Krankenhäuser sind weitgehend für Besucher geschlossen. Besuche seien in wenigen Ausnahmen bei schwerkranken oder sterbenden Patienten und nur noch in Absprache mit den Stationen möglich. Und dies auch nur mit einem tagesaktuellen Antigen-Test auch für Geimpfte und Genesene.

Personal "zermürbt und ausgepowert"

Der Elan des Personals, der zu Beginn der Pandemie noch da war, ist nicht mehr in diesem Maße vorhanden, sagt Eberhard Barth von der Corona-Intensivstation in Ulm. Alle hätten gehofft, dass die Phase kürzer werde. Viele Kolleginnen und Kollegen seien "ausgepowert". Hinzu komme der Fachkräftemangel bei Ärzten und Pflegepersonal. Das mache ein "komisches Gemenge", sagt Professor Ulrich Solzbach von den Kliniken Ostalb.

"Da hilft kein Klatschen vom Balkon. Bonus ist richtig und wichtig. Aber wir müssen uns vor Augen führen, dass wir eigentlich schon die letzten Jahre hätten nachpolstern müssen."

Überwiegend Ungeimpfte auf Intensivstation

Die große Mehrheit der COVID-Patientinnen und -Patienten in den Kliniken sind ungeimpft. Das bestätigt eine Sprecherin des Universitätsklinikums Ulm. Geimpfte Menschen auf der Corona-Intensivstation seien meist sehr alt oder leiden unter einer sogenannten Immunsuppresion, haben also ein sehr schwaches bis nicht vorhandenes Immunsystem.

Impfen sei weiterhin die oberste Prämisse, so Intensivstationsleiter Barth aus Ulm. Diejenigen, die eine Impfung zum Boostern brauchen, sollten das zeitnah angehen. Denjenigen, die noch nicht geimpft sind, könne er nur wärmstens ans Herz legen, dass es noch nicht zu spät sei. Alle, die sich heute impfen lassen, seien auf dem besten Weg, sich vor einer Corona-Infektion zu schützen.

Ulm

Forschungen an der Klinik für Innere Medizin Uniklinik Ulm: 20 Prozent der Corona-Patienten leiden an Long-Covid

Ein Forschungsprojekt an der Uniklinik Ulm befasst sich mit den Langzeitfolgen von Corona. Denn vielen Patienten, die eigentlich genesen sind, geht es auch Wochen und Monate nach der Erkrankung nicht gut.

Heidenheim

Pressegespräch zu Infektionsentwicklung Klinik Heidenheim nicht nur wegen Corona überlastet

Die aktuellen Corona-Inzidenzen im Kreis Heidenheim sind mit am höchsten im Land. Im Klinikum Heidenheim wird das Personal knapp, Patienten lagen kurzfristig auch schon auf dem Gang.

Ulm, Schwäbisch Gmünd, Heidenheim, Aalen, Neu-Ulm

Das Coronavirus und die Folgen für die Region Ulm und Ostwürttemberg Live-Blog zum Coronavirus: Das sind die aktuellen 7-Tage-Inzidenzwerte in der Region

Welche Auswirkungen hat das Coronavirus auf den Alltag rund um Ulm, Neu-Ulm, Heidenheim, Aalen und Schwäbisch Gmünd? In unserem Live-Blog fassen wir die neuesten Entwicklungen zusammen.  

STAND
AUTOR/IN
Hannah Schulze