"Nichts ist schlimmer als nicht arbeiten zu können"

Verkleinert, verschoben, abgesagt: So geht es Künstlern von Aalen bis Ulm während Corona

STAND
AUTOR/IN
Maren Haring

Der nächste Corona-Winter steht an, und wieder werden von Ulm bis Aalen Veranstaltungen abgesagt. Die Kulturschaffenden versuchen weiterzumachen. Und dabei nicht zu verzagen.

Es scheint wie ein Déjà-vu: Seit November und den neuen Corona-Regeln im Dezember hagelt es Absagen von Konzerten, Märkten, Umzügen – kurzfristig oder vorsorglich gleich schon für das nächste Jahr. Kulturschaffende in der Region müssen schon wieder damit umgehen, das ihre Lebensgrundlage ins Wanken gerät.

"Der Weihnachtsmann ist in Quarantäne" - Heike Sauer schafft in dem Projekt "Kunstkitsch" Figuren. (Foto: Heike Sauer)
"Der Weihnachtsmann ist in Quarantäne" - Heike Sauer schafft in dem Projekt "Kunstkitsch" Figuren.

Wie beispielsweise bei der Ulmerin Heike Sauer: Sie steht eigentlich als Kabarettistin Marlies Blume auf den Bühnen der Schwäbischen Alb. In diesem Jahr, erzählt sie, sei es nach langer Pause im Juni richtig losgegangen mit den Auftritten, es folgten Monate mit vielen Engagements. Jetzt werden Auftritte nicht einmal mehr abgesagt - es werden keine geplant.

"Ich habe tatsächlich für Januar gar nichts. Da hat auch niemand was ausgemacht, das ist mir seit Jahren nicht passiert."

Es sei anstrengend und schwierig, mit der Situation umzugehen. Zuerst keine Auftritte, dann viele, dann wieder keine. Und auch die fehlende Planbarkeit mache es anstrengend, erzählt Heike Sauer.

Die Ausstellung von Andreas Welzenbach und Thomas Raschke im Heidenheimer Kunstmuseum war kaum geöffnet  (Foto: Holger Schimkat)
Zwei Jahre Vorbereitung - und dann kam die Pandemie: Die Ausstellung "Albabstieg - Eine Heimatinstallation" von Andreas Welzenbach und Thomas Raschke im Heidenheimer Kunstmuseum war kaum geöffnet (Archivbild)

Andreas Welzenbach aus Hüttlingen im Ostalbkreis ist Bildhauer und Musiker. Ihn hat es dieses Jahr schon hart getroffen: Eine große Ausstellung Anfang des Jahres im Heidenheimer Kunstmuseum dauerte zwar sechs Monate, tatsächlich geöffnet hatte das Museum in dieser Zeit aber nur zwei Wochen, sagt er. Zwei Jahre hat Welzenbach die Ausstellung zusammen mit Thomas Raschke geplant und erstellt. Ganze 200 Besucher haben sie gesehen.

Als Bildhauer habe er im November noch eine Ausstellung in Stuttgart zeigen können. Das sei jetzt wohl auch nicht mehr möglich, zu groß das Risiko, dass niemand kommt. Und als Schlagzeuger seien ihm drei Konzerte in nächster Zeit abgesagt oder verschoben worden. Er gebe Unterricht, das ist nun sein Standbein, das ihn tragen muss.

Überbrücken und machen was geht: Heike Sauer berichtet, dass ihre Bühnenfigur Marlies Blume pausiert. Sie arbeitet jetzt aber im Bereich bildende Kunst und nimmt an Förderprogrammen teil. Sie hat auch einen Minijob im Haus der Dinge in Ulm angenommen, dort ist sie auch künstlerisch tätig. Hauptsache, sie kann etwas machen, sagt sie.

Der Weihnachtsbaum vorm Ulmer Münster steht (Foto: SWR)
Die Konzerte im Ulmer Münster mussten reduziert werden (Archivbild)

Frust bei Künstlerinnen und Künstlern über den nächsten Corona-Winter

Es ist Frust zu spüren darüber, dass dieser Winter kaum besser scheint als der letzte, das abgesagt wird und verschoben. Ulms Münsterkantor Friedemann Johannes Wieland erzählt, dass der Advent eigentlich so etwas wie die Hauptsaison im Ulmer Münster ist. Auftritte vom Motetten- und auch vom Kinder- und Jugendchor seien normal geplant worden. Und mussten nun eingedampft werden. Dennoch, komplett absagen wollte er nichts.

"Das ersatzlose Streichen ist so ziemlich das Schlimmste. Und die Perspektivlosigkeit."

So wird es auch in diesem Jahr kein Weihnachtsoratorium geben. Aber der Motettenchor kann in kleinerer Besetzung in den sonntäglichen Hauptgottesdiensten auftreten. Bei der Krippenkurrende des Kinder- und Jugendchores habe man gleich zweigleisig geplant, so Wieland: Man habe auf eine Aufführung gehofft. Aber auch eine Tonaufnahme gemacht. Nun gibt es die Tonaufnahme als Weihnachtsgeschenk.

Eingang des Kulturbahnhofs in Aalen, in dem auch das Theater Aalen untergebracht ist.  (Foto: SWR, Frank Polifke)
Die neuen Räume des Theaters im Kulturbahnhof Aalen sind noch nicht bekannt, sagt Tonio Kleinknecht, es werde wohl auch länger dauern, bis sich das Publikum daran gewöhnt (Archivbild)

Hauptsache wir können auf die Bühne: Das Theater Aalen

Hauptsache weitermachen, heißt es auch im Theater Aalen, vor Publikum spielen, auch wenn gerade nur die Hälfte der Zuschauer rein darf, sagt auch Theaterleiter Tonio Kleinknecht. Theater lebe vom Auftritt vor Publikum. Bislang habe er nur wenig streichen müssen. Neue digitale Projekte plant das Theater derzeit nicht. Aber es werden die, die in der letzten Saison erfolgreich waren, weitergeführt.

Eine Sorge begleitet den Theatermann: Dass doch noch ein Lockdown kommt. Oder dass die Zuschauerzahl von 50 auf 25 Prozent reduziert wird. Irgendwann lohne sich das auch wirtschaftlich nicht mehr.

"Nichts ist schlimmer als nicht arbeiten zu können."

Ulmer Zelt: Zwischen Planung und der Sorge vor der dritten Absage

Als Festivalveranstalter verbreiten die Macher vom Ulmer Zelt gerade Hoffnung. Wie auch schon 2020 und 2021 wird das Programm im Stadtpark Friedrichsau geplant. Und viele Musiker seien dankbar, sagt Zelt-Sprecher Adrian Büsselmann, weil so viele Veranstaltungen ins nächste Jahr verschoben wurden, da
die Auftrittsmöglichkeiten langsam knapp werden.

Die ehrenamtlichen Helfer seien auch nach den langen Pandemie-Monaten fast alle noch dabei, so Büsselmann. Doch es zeichne sich jetzt schon ab, dass Kräfte für die Gastronomie am Zelt fehlen könnten, die alten Kräfte hätten umdisponieren müssen. Dennoch: Man plane ganz normal, und hoffe, dass es 2022 klappt.

Die große Sorge: Kommt das Publikum auch wieder?

Zum Teil, das erzählt Henning Reinholz vom Ulmer Roxy, seien Auftritte inzwischen vier oder sogar fünf Mal verschoben worden. Die Veranstaltungshallen haben eine frühe Winterpause eingelegt. Man habe sich fragen müssen, wie sinnvoll es ist, beispielsweise für den Poetry Slam Künstler aus ganz Deutschland nach Ulm zu holen, ohne zu wissen, ob auch genügend Publikum da ist.

Außenansicht der Kulturhallen Roxy zum 30-jährigen Jubiläum in Ulm (Foto: SWR, Julia Greif)
Verlängerte Winterpause: Bei den aktuellen schnellen Änderungen der Regeln war das Gestalten des Programms kaum noch möglich (Archivbild)

Derzeit, dass sagen Künstler wie Veranstalter, ist eine große Zurückhaltung beim Publikum zu spüren. Nachvollziehbar, sagen sie, bei der aktuellen Pandemielage. Doch die große Sorge bleibt: Kommen die Menschen wieder zurück in den Konzertsaal, ins Münster, ins Theater? Oder gewöhnt sich das Publikum ans zu Hause bleiben?

Heike Sauer erzählt, dass ihr sogar schon Menschen erzählt haben, sie hätten es sich abgewöhnt, abends wegzugehen. Sie hoffe, dass alle dabei sind, wenn es wieder losgeht. Doch, so schätzt es Theaterleiter Tonio Kleinknecht ein, es wird eine Weile dauern, bis die Unbeschwertheit wieder da ist.

Ulm

Tolle Inszenierung von Mozartoper mit vollem Orchesterklang Großer Beifall für "Figaros Hochzeit" am Theater Ulm

Zum ersten Mal seit der Pandemie spielt das Philharmonische Orchester wieder in voller Besetzung bei einer Oper. "Le Nozze di Figaro" mit dem neuen GMD wird stürmisch gefeiert.

Ulm

Ausstellung von Brunner/Ritz: "Kunst turnen" Werkschau der Konstrukteure des Berblinger-Turms im Museum Ulm

Seit eineinhalb Jahren steht der schräge Berblinger-Turm am Donauufer - konstruiert vom Künstler-Duo Brunner/Ritz. Jetzt zeigt das Museum Ulm eine Werkschau der beiden. Titel: "Kunst turnen".

STAND
AUTOR/IN
Maren Haring