Seit einigen Jahren kaufen immer mehr Konzerne Tierkliniken und Tierarztpraxen. Und die "Einkaufstour" ist noch nicht beendet. Das sei gut für das Tierwohl, sagen die Konzerne. Tierärzte wie Johanne Bernick sehen das anders. Sie wird in Ulm die Kleintierpraxis mit zehn Mitarbeitern von Ralph Rückert übernehmen, in der sie jetzt schon als Angestellte arbeitet.
Bernick möchte sich damit einen Traum erfüllen und sich ganz bewusst dieser unternehmerischen Herausforderung stellen. Das sei "eine große Aufgabe, eine Praxis dieser Größenordnung zu übernehmen." Im Studium werde man darauf aber nicht vorbereitet, vor allem nicht auf den berufswirtschaftlichen Zweig. Das müsse man sich selber beibringen.
Wäre Betriebswirtschaft ein Teil des Studiums - vielleicht würden dann mehr Tierärzte die Selbständigkeit wagen, glaubt auch Tierarzt Ralph Rückert. Er hätte seine Praxis nie einer Kette übergeben und ist sich sicher, dass das Tierwohl dabei zugunsten von Gewinnen auf der Strecke bleibt. "Da geht's nicht darum, wer dem Fifi seine Spritze gibt oder wer das kranke Tier heilt. Das ist ein Investment für Mars, Nestlé. Die legen kein Geld auf den Tisch, weil sie Tierfreunde sind", ist Rückert überzeugt.
Hohes unternehmerisches Risiko
Doch nicht jeder ist bereit, ein unternehmerisches Risiko zu tragen. Marc Goldhammer ist Chef einer Tierklinik in Ludwigsburg, eine der größten im Land. Er hat knapp 100 Mitarbeitende. Bis Februar hat er die Klinik als selbständiger und damit auch selbsthaftender Unternehmer betrieben. Dann hat er an einen Konzern, eine Kette, verkauft.
Wenn Konzerne das Ruder übernehmen
Goldhammer und seine Beschäftigten sind jetzt Angestellte von Anicura. Dahinter steckt der Nahrungsmittelkonzern Mars mit Tierfuttermarken wie Whiskas und Frolic. Das Angebot an Tierarztpraxen, die zum Verkauf stehen, ist groß. Viele finden keine Nachfolge.
Der "Nachwuchs" fürchtet neben dem unternehmerischen Risiko auch lange Arbeitszeiten, so Carola Naumann, Geschäftsführerin von Anicura. Ihr Unternehmen könne es Tierärzten und Tierärztinnen ermöglichen, in ihrem Beruf zu arbeiten. "Gerade Frauen, die vielleicht nicht das unternehmerische Risiko eingegangen wären, wenn sie selber die Praxen oder Kliniken hätten kaufen oder übernehmen müssen." Da geht es um Millionenbeträge.
Neue Gebührenordnung im November und die Folgen
Im November tritt die neue gesetzliche Gebührenordnung für Tierärzte in Kraft. Die Behandlungen werden teurer. Die Konzerne werden mitverdienen, und somit vermutlich weiter Tierarztpraxen kaufen.
"Ich hoffe, dass sie Schwierigkeiten haben, hier so konsequent voranzukommen, wie sie es jetzt in den USA und Großbritannien hatten", meint der Ulmer Tierarzt Ralph Rückert. Doch er sehe "kaum eine Möglichkeit, das letztendlich aufzuhalten."