Vorbereitung auf Ernstfall oder gefährliche Kriegsrhetorik?

Wie sich die Uniklinik Ulm auf einen militärischen Konflikt einstellt

Stand

Von Autor/in Rainer Schlenz

An der Uniklinik Ulm gibt es erste Notfallkonzepte für den Fall eines Angriffs auf NATO-Gebiet. Die Ärzteinitiative "ippnw" hält die Art der Diskussion allerdings für "schädlich".

Die Uniklinik Ulm bereitet sich routinemäßig auf einen Massenanfall von Verletzten vor - auch im militärischen Zusammenhang, wie der Leitende Ärztliche Direktor, Prof. Udo Kaisers, am Freitag bestätigte. Im Stuttgarter Innenministerium wurde zeitgleich über die "Zivile Verteidigung" und die "Wehrhaftigkeit der Bundesrepublik" diskutiert. Es gibt jedoch auch Mediziner, die die verwendete Rhetorik für gefährlich halten.

Damit machen wir den Krieg aber wieder wahrscheinlicher.

Nein, eine konkrete Vorbereitung auf den Verteidigungsfall gebe es nicht an der Universitätsklinik Ulm, sagte der Leitende Ärztliche Direktor, Prof. Udo Kaisers, am Freitag im SWR-Interview. Aber: Die Unikliniken müssen auf "alle Eventualitäten" vorbereitet sein. "Und das können auch Anforderungen im Rahmen eines militärischen Konflikts sein, von dem wir alle hoffen, dass er nicht eintritt."

Baden-Württemberg

"Zivile Verteidigung" stärken Innenminister sieht wachsende Bedrohung: BW will sich auf Ernstfall vorbereiten

Die sicherheitspolitische Lage auf der Welt hat sich verändert - und zwar zu Ungusnten von Deutschland. BW will sich auf den Ernstfall vorbereiten. Doch das sorgt auch für Kritik.

Udo Kaisers spricht in diesem Fall nicht nur für sein eigenes Haus, sondern für alle vier Unikliniken im Land. Routinemäßig werde der sogenannte Massenanfall von Verletzten, kurz: MANV, geübt. "Es gibt richtig praktische Übungen zu den Themen", so Kaisers. "Da gibt es Klinik-Alarmpläne, mit denen das Personal aktiviert wird, um dann in einer großen Anzahl betroffene Patienten zu versorgen."

Die Chirurgie der Universitätsklinik Ulm: Routinemäßig bereitet sich die Uniklinik auf den MANV vor, den Massenanfall von Verletzten. Im Zuge dieser Szenarien werden auch "Anforderungen im Rahmen eines militärischen Konflikts" durchgespielt.
Routinemäßig bereitet sich die Universitätsklinik Ulm auf den MANV vor, den Massenanfall von Verletzten. Im Zuge dieser Szenarien werden auch "Anforderungen im Rahmen eines militärischen Konflikts" durchgespielt.

Unikliniken wappnen sich auch gegen Cyberangriffe

Zur Vorbereitung auf Katastrophenfälle gehört indessen mehr als die medizinische Versorgung. Es gehe auch um die Widerstandsfähigkeit des Systems der Unikliniken, meint Kaisers. Stichwort: Digitaltechnik. "Sie werden verfolgt haben, dass auch Krankenhäuser zum Beispiel von Cyberangriffen betroffen sind." Dies sei eine "Frage, die uns in der Zukunft sehr stark beschäftigen wird".

Das können auch Anforderungen im Rahmen eines militärischen Konflikts sein, von dem wir alle hoffen, dass er nicht eintritt.

Dr. Martin von Wachter ist Leitender Oberarzt für Psychosomatik am Ostalbklinikum in Aalen, Autor und Regionalsprecher der Ärzteorganisation "ippnw". Als Sprecher dieser Vereinigung hält er die aktuelle Rhetorik für fatal:

"Es gehört ja zur 'Kriegstüchtigkeit', dass die zivilen Krankenhäuser den Militärfall unterstützen. Und damit machen wir den Krieg aber wieder wahrscheinlicher", sagt von Wachter. Die Kriegssprache, die man in den Medien höre, Begriffe wie "kriegstüchtig werden", befördere die Eskalation.

"ippnw"-Sprecher weist auf "Kriegslogik" hin

Die ippnw hingegen setze auf Deeskalation, auf Verhandlung, auf diplomatische Lösungen. Von Wachter kritisiert auch, dass Krankenhäuser militärische Konfliktszenarien durchspielen. "Es gibt durchaus die Gegenposition, die sagt: nein! Die Krankenhäuser bleiben zivile Einrichtungen und lassen sich nicht reinziehen in diese Kriegslogik."

Der Aufmarsch - der stattfinden muss, bevor es zum ersten Schuss kommt, damit es abschreckend wirkt - der wird zu 99 Prozent durch Deutschland gehen.

Kommandeur: 800.000 Soldaten für wirkungsvolle Abschreckung

Der Chef des Landeskommandos Baden-Württemberg, Kapitän zur See Michael Giss, betrachtet das Thema aus militärischer Sicht. Sollte es zu einer Eskalation an der Nato-Ostflanke kommen, hätte dies nach Einschätzung von Giss auch spürbare Auswirkungen auf Baden-Württemberg.

"Der Aufmarsch, der stattfinden muss, bevor es zum ersten Schuss kommt, damit es abschreckend wirkt, der wird zu 99 Prozent durch Deutschland gehen", so Giss. "Um eine wirkungsvolle Abschreckung gegen die russische Armee darzustellen, rechnen wir als Hausnummer mit 800.000 Soldaten in relativ wenigen Wochen."

ippnw sieht Verhandlungschance

Die "ippnw" hält dagegen: "Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, Öl ins Feuer zu schütten, sondern zu gucken, wo kriegen wir noch Verhandlungen hin?", sagt von Wachter. Im aktuellen diplomatischen Geschehen sieht der Aalener Arzt eine Chance: "Es gibt Annäherung. Ob die nun zum Ziel führt, können wir gar nicht beurteilen. Aber es gibt diese Gespräche, und das müssen wir nutzen."

Ulm

Pistorius besucht Bundeswehrkrankenhaus Verteidigungsminister in Ulm: Anforderungen an Sanitätsdienst steigen

Verteidigungsminister Pistorius besuchte am Dienstag unter anderem das Bundeswehrkrankenhaus (BWK) in Ulm. Er ließ sich über die Arbeit des Sanitätsdienstes informieren.

SWR Aktuell Baden-Württemberg SWR Fernsehen BW

Zeitenwende Neue Aufrüstung (3/3) – Wie die Gesellschaft kriegstüchtig werden soll

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius wünscht sich einen Mentalitätswechsel bei den Deutschen. Sie sollen "kriegstüchtig" werden. Und tatsächlich: Angesichts des russischen Kriegs floriert die Rüstungsindustrie, die Bundeswehr erfährt eine neue Wertschätzung.

SWR2 Wissen SWR2

Baden-Württemberg

Deutschland rüstet auf Reserve-Oberst aus BW befürchtet Ernstfall: Russland will NATO testen

Deutschland rüstet auf, löst dafür die Schuldenbremse. Das ist dringend nötig, sagt der Chef des BW-Reservistenverbands. Putin könnte die NATO wohl in wenigen Jahren herausfordern.

Bellheim

Bundeswehr investiert Millionenbetrag Bellheim: Tanklager für Nato-Flugzeuge in der Südpfalz wird vergrößert

Die Bundeswehr investiert in ein Kerosin-Tanklager im südpfälzischen Bellheim (Kreis Germersheim) mehrere hundert Millionen Euro. Das Lager soll künftig NATO- und Bundeswehrflugzeuge mit Kerosin versorgen.

SWR4 am Nachmittag SWR4

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent. 

Südwesten

Aktuell, regional, multimedial Die SWR Aktuell-App - Nachrichten auf Handy und Tablet

Die SWR Aktuell-App bringt aktuelle und regionale Nachrichten aus dem Südwesten aufs Smartphone und Tablet. Alle Details zur App und die Links zum Download gibt es hier.

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.