Es war nur ein kleiner Schluck aus dem Getränk. Zuvor hatte Franziska Strobel an diesem Abend keinen Alkohol getrunken. "Ich hab direkt gespürt, dass irgendwas nicht stimmt", sagt die Ulmerin. Nur wenige Minuten später: kompletter Kontrollverlust.
Franziska Strobel hatte an diesem Abend K.o.-Tropfen in ihrem Glas. Die Tropfen sind meist Partydrogen oder Narkosemittel. Substanzen, die geruch- und farblos sind. Der Geschmack des Getränks, in das die Tropfen gemischt wurden, überdeckt den manchmal leicht salzigen oder seifenartigen Geschmack. So bemerken Opfer nicht, das ihnen etwas ins Glas getan wurde.
Ein mögliches Motiv der Täter ist es, ein wehrloses Opfer zu missbrauchen. Das ist Franziska Strobel an diesem Abend nicht passiert. Der Vorfall bleibt ihr dennoch sehr in Erinnerung. Sie beschreibt ein ungeheuerliches Gefühl der Machtlosigkeit.
Rechtsmediziner Sebastian Kunz: "Fallzahl schwer greifbar"
Mit dieser Erfahrung ist die 25-Jährige nicht alleine. Immer wieder kommt es zu Vorfällen im Ulmer Nachtleben. Der Leiter der Rechtsmedizin und Gewaltopferambulanz am Universitätsklinikum Ulm, Sebastian Kunz, sieht eine Tendenz, dass Vorfälle mit K.o.-Tropfen in den letzten Jahren europaweit zugenommen haben.
Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Ulm liegen die gemeldeten Fälle zwar seit Jahren im einstelligen Bereich: 2018 und 2019 waren es fünf Fälle, 2020 noch vier und 2021 insgesamt drei Fälle. Rechtsmediziner Kunz geht jedoch von einer weitaus höheren Dunkelziffer aus.
Bei der Erfassung dieser Fälle gibt es zwei Herausforderungen, so Kunz. Sie können sehr ähnlich wirken wie der klassische Alkoholrausch. Für Außenstehende wie für das Opfer selbst ist es also zunächst schwierig, zu differenzieren. Zum anderen ist die Substanz meist nur zwölf Stunden im Urin und acht Stunden im Blut nachweisbar.
Nach K.o.-Tropfen-Vorfall: Ulmer Club erarbeitet Sicherheitskonzept
Immer wieder teilen Betroffene auf den Sozialen Medien oder unter Beiträgen von Ulmer Clubs ihre Erfahrungen mit. Erst Anfang September kam es zu einem Vorfall im "Club Action" im Alten Fritz, bei dem Rettungssanitäter K.o.-Tropfen im Blut des Opfers gefunden haben.
Für Sebastian Frenzel und das Team vom "Club Action" war der Vorfall der Anlass, ihr Sicherheitskonzept zu überarbeiten. Ab Ende Oktober soll es Schnelltests geben, die Substanzen im Getränk nachweisen können, sowie Abdeckungen für Gläser. Zudem wird ein zusätzliches Team abgestellt, auf das Partygäste immer zukommen können, wenn es ihnen nicht gut geht.
Auch andere Clubs, wie das "Gleis 44" am Ulmer Bahnhof und der Club "Frau Berger" am Ehinger Tor, erarbeiten oder haben schon Konzepte, um das Feiern sicherer zu machen: Dazu zählt die Aufstockung des Sicherheitspersonals, Schulungen für Mitarbeitende, Rückzugsräume für Feiernde.
Schutz vor K.o.-Tropfen: Tipps von Polizei und Rechtsmedizin
Die Polizei empfiehlt dringend, jeden Fall anzuzeigen. Denn nur so können potenzielle Täterinnen und Täter ermittelt werden. Zudem rät sie Opfern im Verdachtsfall, sich an das Clubpersonal zu wenden oder direkt ärztliche Hilfe zu holen.
Auch Franziska Strobel hat nun eine Taktik beim Feiern: "Ich lasse mein Getränk nie unbeaufsichtigt". In der Regel nehme sie sogar geschlossene Getränke, die sie zuhalten kann. Aber eigentlich wünsche sie sich, dass sie sich genau darüber beim Feiern keine Gedanken machen muss.