In den Ulmer Kinderarztpraxen ist in diesen Tagen viel mehr los als sonst im November. Es kursieren zahlreichen virale Atemwegs- und Erkältungskrankheiten und dabei vermehrt auch das RS-Virus (RSV) - das Humane Respiratorische Synzytial-Virus. Auch an der Kinderklinik der Universität Ulm wird derzeit eine ungewöhnlich hohe Zahl an Kindern mit schwer verlaufenden Infektionen behandelt - vor allem mit dem RS-Virus.
RS-Virus: eingeschränkte Zahl an Betten an der Kinderklinik
Wie eine Sprecherin der Kinderklinik mitteilte, stehen nur sehr eingeschränkt Betten zur Verfügung, jedes freie Bett wird sofort wieder belegt. Viele Kinder müssen mit Sauerstoff versorgt werden.
Viele Fälle von Atemwegserkrankungen RS-Virus-Welle bringt Kinderkliniken in BW an Belastungsgrenze
Bei Erwachsenen löst es meist nur Schnupfen aus, für Kinder kann das RS-Virus bedrohlich sein. Derzeit werden viele deswegen behandelt. An einigen Kliniken gehen die Betten aus.
Auch in Kinderarztpraxen in Ulm wird es eng: Statt in Kita, Kindergarten oder Schule, sitzen die Kinder auf den Schößen ihrer Mütter im Wartezimmer. Wenn man es geschafft hat, einen der begehrten Termine zu ergattern. Denn ein Anruf in der Kinderarztpraxis erfordert derzeit Geduld. Man hängt gefühlte Ewigkeiten in der Warteschleife.
"In den letzten 15 Jahren war nicht so viel los wie zur Zeit!"
Nächste Praxis - dasselbe. Mütter berichten von teils zweistündigen Wartezeiten in überfüllten Wartezimmern mit dem kranken Kind. Der Ulmer Kinderarzt Dr. Robert Jungwirth sagt: "In den letzten 15 Jahren war nicht so viel los wie zur Zeit."
Viele Kinder kommen mit Husten, Schnupfen, Halsschmerzen. Dabei kann es sich auch um das derzeit grassierende RS-Virus (RSV) handeln - das Humane Respiratorische Synzytial-Virus. "Darauf wird aber in der Kinderarztpraxis nicht getestet. Bis das Ergebnis da wäre, wäre das Kind vielleicht schon wieder gesund. Und an der Behandlung würde es ohnehin nichts ändern", sagt der Ulmer Kinderarzt.
Und der Test ist eine Selbstzahlerleistung. Das RSV wird wie andere Atemwegserkrankungen behandelt, etwa mit Inhalieren, viel Flüssigkeit, einem Asthmaspray, um die Bronchien zu weiten oder gegebenenfalls auch mal mit Cortison.
Der Langenauer Kinderarzt Dr. Klaus Rodens ist im Bundesvorstand des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte e.V.. Er sagt: "Wir haben auch in der Region eine Flut an Atemwegserkrankungen zu bewältigen. Die Auslöser sind einige Viren. Man sieht aber, dass RS-Viren eine dominierende Rolle spielen und die Grippe auch dabei ist. Viel mehr als in den Jahren zuvor." Das weiß er, weil zum Beispiel einzelne Kinder stationär im Krankenhaus behandelt werden müssen und dort ein Schnelltest gemacht wird.
RS-Virus: Bronchialäste in der Lunge bei Säuglingen "schnell dicht"
Klaus Rodens ergänzt: "Das RS-Virus hat eine tückische Eigenschaft: Es macht vor allem die kleineren Bronchialäste dicht. Und wenn wir es mit Säuglingen zu tun haben oder mit Kindern, die einen Herzfehler haben oder von der Lunge her vorgeschädigt sind, dann können diese auch richtig gefährdet sein." Sie könnten dann unter Umständen mit zu wenig Sauerstoff versorgt werden. Meistens aber verlaufe die Infektion zwar unangenehm für die Kinder, aber nicht gefährlich.
Corona-Lockdown: Immunsystem vieler Kinder weniger trainiert
Das Immunsystem vieler Kinder sei während der Corona-Lockdowns weniger trainiert worden, sagt Rodens. "Jetzt ist die Büchse der Pandora auf, und alle Viren kommen raus." Das Immunsystem der kleinen Kinder müsse den Umgang mit bestimmten Viren nun erst lernen.