Zusammen mit Julia Probst werden künftig auch Dolmetscherinnen oder Dolmetscher an den Sitzungen des Weißenhorner Stadtrates teilnehmen. Sie werden das Gesagte in Gesten übersetzen, damit die 40-Jährige der Sitzung folgen und mitdebattieren kann.

Vereidigung mit Gebärdendolmetscherin
Auch bei der Vereidigung war eine Gebärdendolmetscherin dabei. "Eigentlich sollte es gar nichts Besonderes sein, sondern eher eine Selbstverständlichkeit", erklärte Wolfgang Fendt, Bürgermeister von Weißenhorn (Kreis Neu-Ulm). Sein neues Stadtratmitglied Julia Probst engagiert sich schon lange für mehr Inklusion. In der Kommunalpolitik will sich Probst außerdem für mehr Klima- und Naturschutz einsetzen und mehr bezahlbaren Wohnraum für Familien schaffen.
Bei der Kommunalwahl vor zwei Jahren hatte Probst das drittbeste Ergebnis ihrer Partei in Weißenhorn erzielt. Sie wurde deshalb Nachfolgerin von Christiane Döring, die umzieht und dann dem Stadtrat in Weißenhorn nicht mehr angehören wird. Im Jahr 2013 hatte Probst noch mit der Piratenpartei für den Bundestag kandidiert. Inzwischen ist sie Mitglied bei den Grünen.
Die Lippenleserin der Fußball-WM 2010
Vor allem für Social-Media-Anhänger ist Julia Probst keine Unbekannte. Denn sie kann auch Lippen lesen und sehen, was sich zum Beispiel Fußballspieler und Trainer auf dem Fußballplatz zu sagen haben. Wo man im Fernsehen normalerweise nur erkennt, dass etwas gerufen wird, weil es im Gejohle der Fans im Stadion untergeht, kann sie Inhalte entziffern. So twitterte Probst beispielsweise bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 live, was unter anderem Jogi Löw bei einem Fehlpass schrie: "Mensch! Sowas zu verschenken!". Der "Ableseservice", das ist der Name ihres Angebots, fand schnell eine Fangemeinde. Rund 50.000 Menschen folgen ihr auf Twitter.
Verständigung im Alltag - für Gehörlose ein Problem
Für Gehörlose ist die Verständigung im Alltag oft mit Hindernissen verbunden. Allein im Freistaat Bayern betrifft das gut 15.000 Menschen. Schon seit längerem fordert der Landesverband der Gehörlosen deshalb eine entsprechende Unterstützung. Gehörlose und hörbehinderte Menschen haben es oft schwer, ihre Wünsche und Anliegen im Alltag äußern zu können. Sie müssen einen Übersetzer, etwa beim Besuch einer Klinik oder eines Anwalts, im Wesentlichen aus eigenen Mitteln finanzieren.
Im Weißenhorner Stadtrat kommt die Verwaltung jetzt dafür auf. Für jede Sitzung sollen zwei Dolmetscher für Julia Probst engagiert werden. Denn auch das Übersetzen in Gebärdensprache ist kräftezehrend. Unklar ist noch, ob es dafür Fördergelder geben wird.