Vor dem Hof in Unterschneidheim-Hundslohe (Ostalbkreis) tuckert ein Traktor. Seine Reifen sind größer als die Frau, die ihn steuert: Rebecca Gerstmeier. Ob sie mit ihren 1,63 Metern da hochkomme? "Klar", lacht die 43-Jährige. "Früher, als ich noch ganz jung war, wurde ich schon öfter angeguckt, weil ich als Mädchen auf dem Schlepper saß. Und weil ich halt nicht so groß bin, hat das immer ganz lustig ausgeschaut. So ein kleiner Hupfer da auf dem Traktor!"
Mittlerweile sehe sie mehr 'Damen', wie sie sagt, auf solchen Fahrzeugen. "Das finde ich richtig schön, klasse!" Dennoch ist Rebecca Gerstmeier eine von wenigen Frauen, die einen Bauernhof führen. Sie leitet den elterlichen Hof mit 70 Milchkühen, 70 Jungrindern - eigene weibliche Nachzucht - und sieben Kälbern.

Gerstmeier zu Frauen in der Landwirtschaft: "Das können wir auch!"
Für Rebecca hat sich vieles verändert, als ihr Vater herzkrank wurde. Da begann sie, den Hof auf der Ostalb zusammen mit ihrer Mutter zu managen. Daran habe sich auch so mancher Lieferant gewöhnen müssen, der auf den Hof gekommen sei, erzählt sie.
Oft die typische erste Frage: 'Und? Wo ist denn der Chef?' Ich habe da schon bockig reagiert.
"Da war dann oft die typische erste Frage: 'Und? Wo ist denn der Chef?'" Sie entgegnete dann: "Der steht vor Ihnen." Irritation beim Gegenüber. Sie gibt zu: "Ich habe da schon bockig reagiert. Manchmal habe ich mir gedacht, Mensch, das lohnt sich doch gar nicht." Und trotzdem konnte sie das Gefühl nicht abstreifen.

Frauenanteil unter den Studierenden hoch, doch wenige führen die Höfe
Eine Agrarerhebung des Thünen-Instituts für Betriebswirtschaft und der Universität Göttingen kam vor zwei Jahren zum Ergebnis: Nur elf Prozent der Bauernhöfe in Deutschland werden von Frauen geführt. Deutschland ist damit Schlusslicht in der EU. Dort liegt der Schnitt bei 29 Prozent.
Und das obwohl ungefähr gleich viele Frauen wie Männer in landwirtschaftlichen Studiengängen eingeschrieben sind. Zahlen dazu, ob sich zunehmend Frauen auch eine Hofführung zutrauen, gibt es laut der Universität Hohenheim nicht.
Durch Melkroboter: Frauen in der Landwirtschaft profitieren von Technik
"Frauen profitieren davon, dass sich Landwirtschaft im Vergleich zu den Jahrzehnten vorher gewandelt hat", meint Rebecca Gerstmeier. Es sei zum Beispiel weniger Muskelkraft nötig als früher. "Die Technik gibt uns ja die Möglichkeit, dass wir solche Berufe ausüben können. Es ist ja anatomisch so, dass wir nicht so viel Kraft haben wie Männer. Aber mit diesen technischen Hilfsmitteln sind wir dann natürlich gleichberechtigt. Das ist das Schöne dran."
Als ihr Vater nicht mehr voll mitarbeiten konnte, mussten sie und ihre Mutter umdenken: "Dann haben wir den Melkroboter eingebaut, damit wir morgens und abends die zweieinhalb Stunden nicht mehr so extrem fixiert sind. Gerade, wenn etwas mit den Kids ist - du kannst nicht weg. Du stehst im Melkstand und musst melken."
Durch den Roboter kann Rebecca Gerstmeier zur Melkzeit zum Beispiel auch zum Elternabend in die Schule. Zusätzlich hat ihr Betrieb seit kurzem auch noch einen Futterautomaten und ein sogenanntes Milchtaxi - ein Mobil, um nicht selbst kübelweise Milch schleppen zu müssen.

Leben auf dem Bauernhof: Tierliebe treibt Rebecca Gerstmeier an
Sie selbst ist am liebsten Bäuerin wegen der Tiere. Und am allerliebsten wegen der Kälber, die schlecken sie geradezu ab. Sie glaubt, dadurch dass sie als Frau selbst schon Kinder geboren hat, schaue sie vielleicht ihre Kälber nochmal anders an als mancher Mann.
"Sie sind wirklich liebesbedürftig, die ersten Tage total verschmust. Das Kalb ist warm und kuschelig aufgehoben gewesen bei der Mama." Die Wärmelampen, mit denen Gerstmeier ihre Kälber wärmt, erinnern sie an ihre eigenen Kinder. Eine ähnliche Leuchte habe sie über deren Wickeltisch gehabt.
Gerstmeier: Landwirtschaft bleibt ein unberechenbarer Job
Und doch bleibt es ein Job mit Unwägbarkeiten: Am Samstag wollte Familie Gerstmeier zum Fallschirmspringen - ihrem gemeinsamen Hobby. Dann aber musste die Bäuerin wegen des angesagten Regens dringend die Wiesen pflegen, Nachtschicht inklusive. Ihre drei Kinder kämen mit sowas klar, würden es nicht anders kennen.

Ihr Mann ebenso, auch er stammt von einem Bauernhof. Freitags packt er mit an. Eigentlich ist er Informatiker. "Dadurch ist er frei denkender. Er ist nicht so eng in der Materie drin. Er sieht sich die Dinge auch breiter an als jemand, der nur in der Landwirtschaft arbeitet."
Rebecca Gerstmeier hat zuvor eine Ausbildung als Groß- und Außenhandelskauffrau absolviert und dann ein Studium der Agrarwirtschaft. In irgendeinem vor- oder nachgelagerten landwirtschaftlichen Bereich wollte sie später mal arbeiten. Während des Studiums wurde ihr immer klarer: Sie will auf dem Hof ihrer Eltern einsteigen.
Dass sich neben ihr immer mehr Frauen an die Hofleitung und an die Technik rantrauen, findet Gerstmeier klasse. "Das können wir auch!" Denn an sich sei es ja keine körperlich schwere Arbeit. Man müsse es sich einfach nur trauen.