Die Fälle sollen sich in den 1950er und 1960er Jahren in den evangelischen Seminaren in Blaubeuren und Maulbronn, beim Stuttgarter Hymnus-Chor und beim CVJM Esslingen ereignet haben. Das teilte die evangelische Landeskirche am Mittwoch mit.
Erst vor kurzem haben sich demnach zunächst ein Opfer, dann 30 weitere bei der unabhängigen Kommission der Landeskirche gemeldet. Die Ulmer Psychologen vermuten jedoch, dass es noch weitere Missbrauchsfälle gegeben haben könnte.
Haupttäter sei bereits verstorben
Hinter der Missbrauchsserie stecke offenbar ein Haupttäter, ein Mäzen, der inzwischen verstorben sei und der in den 1950er- und 60er Jahren die Jugendarbeit der evangelischen Kirche finanziell unterstützt hatte. Er soll Jungen missbraucht haben.
Der Täter habe etwa in einem Zeltlager mit den Kindern und Jugendlichen gearbeitet, ihnen geholfen, sich auf die Lateinprüfungen vorzubereiten. "Er war in verschiedenen Wegen in verschiedenen Einrichtungen unterwegs, das war das perfide", erläutert Ursula Kress von der landeskirchlichen Anlaufstelle für sexualisierte Gewalt.
Missbrauchsstudie kostet 300.000 Euro
Um diese Fälle aufzuklären, investiert die Landeskirche 300.000 Euro in eine Studie. So soll geklärt werden, was damals genau passiert sei. "Welche Strategien ermöglichten den Missbrauch? Warum konnte das geschehen, ohne das jemand eingegriffen hat?", sind laut dem Direktor im Evangelischen Oberkirchenrat, Stefan Werner, ein paar der Fragen, die untersucht werden sollen.

Ob es Mittäter oder Mitwisser gegeben habe, sollen die Psychologen ebenfalls untersuchen. Man werde historische Archive durchforsten, sagte Professorin Miriam Rassenhofer. Vor allem wollen die Psychologen mit den Opfern sprechen. "Sie erhalten die Gelegenheit, ihre Geschichten zu erzählen", sagt Rassenhofer.
Gleichzeitig wollen die Ulmer Psychologen auch die heutigen Schutzkonzepte in den evangelischen Einrichtungen unter die Lupe nehmen. "Wir wollen von den Kinder und Jugendlichen wissen, ob sie sich sicher fühlen", sagt Rassenhofer. So soll ein Präventionskonzept entstehen. Drei Jahre haben die Ulmer Kinderpsychologen dafür Zeit.