Nach mehr als drei Jahrzehnten im Dienste seines Unternehmens ist Ernst Prost, ehemaliger Geschäftsführer des Ulmer Schmierstoffherstellers Liqui Moly, kürzlich in den Ruhestand gegangen. Im Alter von 65 Jahren war im Februar Schluss. Durch seine weltweiten Geschäftsbeziehungen hat er auch Freunde in Russland und der Ukraine gewonnen. Wegen des Krieges dort engagiert er sich mit seiner Stiftung "Frieden für Menschen, Menschen für Frieden", um den Menschen zu helfen. Mit dem SWR hat er auch über die Konsequenzen des Krieges für die Menschen und die Wirtschaft gesprochen.

SWR: Herr Prost, was genau organisieren Sie mit Ihrer Stiftung?
Ernst Prost: Wir haben über Liqui Moly seit Jahrzehnten beste Kontakte, geschäftliche Kontakte und auch Freundschaften zu Menschen in über 150 Ländern dieser Erde. Und wir haben in der Firma immer gesagt, wenn Hilfe notwendig ist, dann helfen wir auch. In den vielen Jahren haben wir Spenden gesammelt und sind zum Beispiel mit Hilfsgütern in die Türkei oder nach Italien zu Erdbebenopfern gefahren. Der jetzige Ukraine-Krieg reißt Familien auseinander. Ein Teil ist russisch, einer anderer ist ukrainisch. Und die sollen sich nun beschießen? Bei unseren Hilfslieferungen stehen Medikamente und Schmerzmittel ganz oben auf der Liste. Wir kaufen diese medizinischen Materialien ein und bringen sie dann in ein Lager an der polnisch-ukrainischen Grenze. Von dort aus wird dann ganz gezielt verteilt, auch an die Front zu Soldaten, die verletzt werden.
Vor welchen Problemen bei den Hilfslieferungen stehen Sie?
Es funktioniert recht gut. Wir sind jetzt im Bereich von ein paar 100.000 Euro an Spenden. Die gekauften Materialien sind auch schon angekommen. Jeden Tag gibt es neue Lieferungen.
Sie haben letzte Woche bekannt gegeben, dass Ihre ehemalige Firma die Geschäftsbeziehungen nach Russland abgebrochen hat - was bedeutet das für Liqui Moly?
Gegenfrage: Was bedeutet es für die Ukraine und für die Russen? Das ist die Hauptfrage für die Firma. Für das Unternehmen ist ein wirtschaftlicher Schaden absehbar. 40 Millionen Euro Umsatz. 733 Millionen haben wir letztes Jahr gemacht. Wir versuchen das zu kompensieren. Die 300 Mitarbeiter der Partnerfirma Liqui Moly Russia haben natürlich keinen Job mehr.
"Es geht doch darum, auf Putin möglichst großen wirtschaftlichen Druck zu machen."
Sie haben auch gefordert, alle Unternehmen sollten das tun (Anm. d. Red: Einen Abbruch der Geschäftsbeziehungen mit Russland), um den Druck auf Russland zu erhöhen - sind denn andere Ihrem Beispiel gefolgt?
Es geht doch darum, auf Putin möglichst großen wirtschaftlichen Druck zu machen und das von allen Seiten. Da muss auch die kleine Liqui Moly mitspielen. Dort, wo große Konzerne weltweit mitspielen, das Embargo befolgen, Boykotte einhalten und damit einfach alles tun, um den wirtschaftlichen Druck auf Putin zu erhöhen, kann es etwas bewirken. Die Sanktionen könnten politischen Druck innerhalb Russlands hervorrufen und damit hoffentlich die Regierung zur Besinnung bringen.
"Deutschland hat es verschlafen, sich aus der Abhängigkeit von Russland früher zu lösen."
Ernst Prost zu Gast in der SWR Landesschau Baden-Württemberg
Eine Folge des Krieges bekommen wir auch hier zu spüren. Die Spritpreise sind enorm hoch. Wie sehen Sie diese Entwicklung? Freuen Sie sich drüber oder eher nicht, weil Sie als Rentner die hohen Preise jetzt zahlen müssen für private Spritztouren?
In was für Ecke stellen Sie mich denn da? Kein Mensch freut sich über gestiegene Lebenshaltungskosten. Es trifft eher die Armen und weniger mich mit meinem Motorrad. Es trifft jetzt die Leute, die heizen müssen und dafür eigentlich nicht viel Geld zur Verfügung haben. Dennoch: Diese Gas- und Öllieferungen aus Russland, die ursächlich für die hohen Preise sind, müsste man komplett einstellen. Dann wird der Benzinpreis zwar noch höher steigen, aber der Staat muss für die Menschen für Ausgleich sorgen, die sich das nicht leisten können. Wir können nicht sagen 'Oh mein Gott, der Sprit ist so teuer, dann kaufen wir doch lieber für ein paar Milliarden Euro bei Putin Öl und Gas'. Das wäre feige. Ich finde es toll, dass man in Deutschland nicht die Diskussion über Spritpreise führt. Stattdessen steht die Diskussion über den Krieg und über die Sanktionen im Fokus. Die Amerikaner haben schon begonnen, Putin den Gas- und damit den Geldhahn abzudrehen. Deutschland hat es verschlafen, sich aus der Abhängigkeit von Russland früher zu lösen. Rund 55 Prozent der Gaslieferungen nach Deutschland kommen aus Russland.
Was bedeutet das für die deutsche Wirtschaft?
Man steht vor einem Scherbenhaufen und blickt jetzt auf zwei Euro für einen Liter Sprit an den Tankstellen. Die Kosten für Heizöl steigen natürlich auch für die Industrie. Wir kaufen nicht nur das Gas, um unsere Wohnungen zu wärmen, sondern um zu produzieren. Wir stellen Dinge her und verkaufen sie dann in die Welt. Da hängt jeder Arbeitsplatz in Deutschland dran.