Zum Welt-Delir-Tag am 12. März veranstaltet eine Ulmer Projektgruppe mit Experten aus Universitätsklinik, Rehabilitationskrankenhaus und Bethesda-Klinik ein Symposium. 120 Ärzte, Pflegekräfte und Therapeuten tauschen sich zum neusten Forschungsstand aus. Ein Delir kommt im Krankenhaus häufiger vor - und ist für die Betroffenen schwer auszuhalten, wie ein Beispielfall zeigt.
Stefan K. - nach dem Koma ein Delir
Stefan K. (Name von der Redaktion geändert) aus dem Alb-Donau-Kreis war vor vier Jahren eigentlich wegen eines Herzinfarkts in der Universitätsklinik Ulm. Den Infarkt hat er mit Mitte Fünfzig nur mit Glück überlebt. Er lag fünf Tage im Koma. Als er in der Intensivstation der Neuen Chirurgie aufwachte, ging es los mit Bewusstseinsstörungen und Halluzinationen, erzählt er.
Delir noch weitgehend unerforscht
Stefan K. ist kein Einzelfall. Das Delir ist eine häufige Erkrankung während eines Krankenhausaufenthalts und noch weitgehend unerforscht. Der Begriff kommt von "Delirium". Als typische Symptome nennt das Uniklinikum Ulm akute Verwirrtheit, Störungen des Bewusstseins, Schläfrigkeit oder Hyperaktivität, manchmal auch Halluzinationen. In den meisten Fällen tritt es bei älteren Patienten und nach einer Narkose auf.

Bei Stefan K. aus dem Alb-Donau-Kreis liegen der Herzinfarkt und die Delir-Erkrankung nun vier Jahre zurück. "Es war der Horror", erinnert sich der 59-Jährige. "Man ist in seiner Situation regelrecht gefangen." Stefan K. war sich damals sicher, das Klinikpersonal wolle an ihm neue Medikamente ausprobieren.
Wenn er am anderen Ende des Flures zwei Mitarbeiter im Gespräch sah, meinte er, sie redeten über ihn und führten Böses im Schilde. Der Patient realisierte nicht, dass er Stimmen hörte, die es gar nicht gab.
"Das war sehr nervenaufreibend", blickt Stefan K. zurück, der sich an seinen Verfolgungswahn bis ins Detail erinnern kann. "Da waren immer diese Stimmen, die mir ans Leben wollten, während ich ja gesundheitlich nach dem Koma ja sowieso extrem geschwächt war."
Da waren immer diese Stimmen, die mir ans Leben wollten.
Auch Angehörige von Betroffenen leiden unter der Erkrankung
Das Delir erhöhte bei seiner Familie die ohnehin schon vorhandenen Sorgen. Wenn er zum Beispiel nachts zuhause anrief, und seine Frau und seine Söhne dazu aufforderte, das Geld in Sicherheit zu bringen, weil Verbrecher die Konten abräumen würden. Oder als er ankündigte, er würde jetzt mitten in der Nacht aus der Klinik flüchten.
"Wir hatten Angst um unseren Vater", schildert der erwachsene Sohn, "wir haben uns gefragt: Bleibt das oder geht das wieder weg?" Als ihm die Uniklinik vorgeschlagen hat, er könne im Krankenzimmer seines Vaters übernachten, sei es etwas besser geworden.

"Trotzdem war es sehr anstrengend", so der Sohn. Ständig habe er im Gespräch mit seinem Vater aufpassen müssen, was er sagt, um ihn nicht zu reizen. Der Patient nimmt nicht wahr, dass er ein Delir hat. Er ist davon überzeugt, dass seine Wahrnehmung die richtige ist.
Pflege von Delir-Patienten ist deutlich aufwändiger
Eva Glatthaar hat als Pflegerin häufig mit Delir-Patienten zu tun. "Sie sind sehr pflegeaufwändig und können mit ihrem Verhalten sich selbst und andere gefährden." Die betroffenen Patientinnen und Patienten benötigen deutlich mehr Zeit, die das Klinikpersonal in der Regel jedoch kaum habe. "Manche Patienten wollen nicht mit uns reden, weil sie Angst haben. Dann wird es für uns aber auch schwierig, ein Delir richtig zu diagnostizieren", schildert Glatthaar die Problematik.
Symposium zum Welt-Delir-Tag am Uniklinikum Ulm
Ein Delir tritt sehr häufig auf, erklärt Eberhard Barth, Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin an der Uniklinik Ulm. Durchschnittlich erkranke jeder sechste Patient daran. Nach einer Operation oder auf der Intensivstation liege die Wahrscheinlichkeit sogar bei bis zu 50 Prozent.

Ausschlaggebend für das Risiko einer Erkrankung seien vor allem Vorerkrankungen und das Alter der Patientinnen und Patienten. Ältere Menschen würden nach einer Operation deutlich häufiger an einem Delir leiden, so Barth. Die Gehirnfunktionen hätten nicht mehr so viele Reserven, das begünstige eine Erkrankung.
Um vorzubeugen, sei es oft am hilfreichsten, den Patienten die Angst vor einem Krankenhausaufenthalt zu nehmen. Das würde dafür sorgen, dass sie sich bereits im Vorfeld eines Eingriffs wohler fühlen und nach dem Aufwachen nicht so desorientiert sind.
Der Umgang mit bereits erkrankten Patientinnen und Patienten sollte ebenfalls berücksichtigt werden, so Barth. Es sei besonders hilfreich, das Wohlgefühl wieder herzustellen. Zum Beispiel durch das Verlegen auf ein Einzelzimmer oder das Einbeziehen der Familie.
Stefan K. litt lange unter dem Delir
Stefan K. hat unter den zwei Wochen Delir mit Verfolgungswahn und eingebildeten Stimmen in der Ulmer Uniklinik sehr gelitten. Mit der Entlassung aus dem Krankenhaus wurde es schlagartig besser. Ganz weggegangen sind die Phänomene aber erst in den Wochen danach, während einer Kur. Die Ärzte sind sich sicher: Das Delir hätte quasi auch jeden anderen Patienten treffen können. Und es hat den Heilungsprozess nach einem Herzinfarkt auf jeden Fall verzögert.