Das Multinationale Kommando Operative Führung in Ulm will seinen Frauenanteil von derzeit gerade mal elf Prozent deutlich erhöhen, sagt dessen Gleichstellungsbeauftrage Verena Haggenmiller zum Internationalen Frauentag dem SWR: "Auch, weil Frauen für die Teambildung in der Bundeswehr eine ganz wichtige Rolle spielen."
Warum Frauen bei der Bundeswehr gebraucht werden
Frauen haben Chancen in vielen Aufgabenfeldern der Bundeswehr, erklärt Haggenmiller. Die 41-Jährige ist selbst dafür das beste Beispiel. Seit über 20 Jahren ist sie im Einsatz. Hat ihre Ausbildung einst bei der Militärpolizei gemacht.
Seit drei Jahren ist sie Gleichstellungsbeauftragte bei dem Kommando in der Wilhelmsburg-Kaserne in Ulm. Dienstgrad: Oberstleutnant. Bis dahin hat sie einige Dienstgrade hinter sich gelassen, auch Wirtschaftswissenschaften studiert. "Die Bundeswehr braucht einfach mehr Frauen, weil sie uns Vielfalt reinbringen. Ganz viel großen Output. Und davon wollen wir einfach noch mehr haben", betont Haggenmiller.

Gleichstellungsbeauftragte: "Frauen sind einfach gut für's Team"
"Man merkt auch, dass in gemischten Teams die Arbeitsleistung einfach besser ist als in jenen, die nicht gemischt sind", erzählt Haggenmiller. Sie selbst wusste schnell, dass sie zur Bundeswehr wollte: "Ich bin in Frieden aufgewachsen und hatte irgendwie das Gefühl, meinem Land etwas zurückgeben zu wollen. Und sollte es einmal ernst werden, möchte ich nicht in Schockstarre verfallen, sondern etwas tun."
Falls es einmal ernst wird, möchte ich nicht in Schockstarre verfallen, sondern etwas tun.
Welche Chancen sich bieten, das hänge vor allem von den Frauen selbst ab, heißt es auf einem Treffen des Multinationalen Kommandos. Je nachdem, welche Fähigkeiten und Berufswünsche sie mitbringen, so die Gleichstellungsbeauftragte: "Wir haben die Möglichkeit, Berufsausbildungen bei der Bundeswehr zu machen, etwa auf die Technikebene zu gehen, auf die Meisterebene und schlussendlich auch die Möglichkeit, ein Hochschulstudium zu machen."

Ramona D. - Kommandantin mit viel Verantwortung
Auch Ramona D. ist eine der Soldatinnen in dem Kommando in der Wilhelmsburg-Kaserne in Ulm. Die 31-Jährige hat ebenfalls studiert und auch schon im Ausland gearbeitet. Jetzt ist sie Kommandantin und Hauptmann der Gefechtsstandstaffel mit 190 Soldatinnen und Soldaten. Diese ist zuständig für den Transport und Aufbau von Infrastruktur und Technik bei Truppenbewegungen: "Das muss ständig geübt werden, damit wir flexibel bleiben." Hier hat Ramona D. auch Disziplinarverantwortung: "Da bin ich auch für Lob und Tadel zuständig."
Wie akzeptiert sind Frauen bei der Bundeswehr im Alltag?
"Wir sind im Bundeswehralltag in jeglicher Hinsicht voll akzeptiert", sagen Oberstleutnant Haggenmiller und Hauptmann Ramona D. In vielen Bereichen seien die Frauen heute präsenter als zuvor. Allerdings werde bei einem Dienststellenwechsel in eine gehobene Position schon "genauer hingeschaut. Ist es ein Mann, wird er vielleicht nur als 'der Neue' bezeichnet", berichtet Ramona D.
Sicher stehe man häufig noch mehr im Fokus als Männer, aber man könne dies auch nutzen, meint Verena Haggenmiller: "Wenn man gut auf seine Aufgaben vorbereitet ist, hat man eben auch die Aufmerksamkeit, wird vielleicht eher gesehen, was auch ein Vorteil sein kann."
Als Frau zur Bundeswehr? Das sagen Passantinnen in Ulm
Bei der Frage, ob sie sich vorstellen könnte, als Frau zur Bundeswehr zu gehen, muss eine junge Passantin in der Ulmer Fußgängerzone nicht lange nachdenken: "Vielleicht schon, müsste ich mal ausprobieren", sagt sie.
Eine andere Frau schüttelt entschieden den Kopf: "Nein, tatsächlich nicht, weil ich mir nicht vorstellen kann, in einem hierarchischem Klima zu arbeiten". Zwei junge Stadtbummlerinnen kennen zumindest Frauen, die bei der Bundeswehr Medizin studieren und sonst keinen Studienplatz bekommen hätten. Für sie selbst käme das aber nicht infrage. Andere scheuen die Grundausbildung mit Waffengebrauch und wollen sich nicht über Jahre festlegen.

Gleichberechtigung: Frau Oberstleutnant und Frau Hauptmann - ist das noch zeitgemäß?
"Unsere Sprache hier bei der Bundeswehr ist so eine Art Tool, die es Männern und Frauen gleichermaßen ermöglicht, sich in jeder Situation präzise ausdrücken zu können. Dabei wurden die Dienstgrade bewusst nicht angepasst. Also heißt es nach wie vor "Frau Oberstleutnant" und "Frau Hauptmann". "Das wollten die meisten Frauen auch nicht, da gab es mal eine Diskussion", erzählt Verena Haggenmiller. Zudem seien die Dienstgrade traditionell gewachsen, so die Gleichstellungsbeauftragte.
Viele seien auch stolz auf ihren Dienstgrad, weil er sofort erkennbar mache, was sie oder er bei der Bundeswehr schon erlebt und durchlaufen habe. "Wenn ich eine Kameradin oder einen Kameraden treffe, dann schaue ich auch auf die Schulter und bin dann schon informiert", meint die 41-Jährige.
Die Bundeswehr braucht einfach mehr Frauen, weil sie uns Vielfalt bringen. Ganz viel großen Output. Davon möchten wir noch mehr haben.
Mehr Soldatinnen im Sanitätsdienst
Es habe sich vielleicht auch noch nicht herumgesprochen, welche Vorteile ein Job bei der Bundeswehr für Frauen habe, vermutet sie. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie etwa: "Wir haben hier eine großzügige Gleitzeit, das kommt allen zugute." Das Studium werde finanziell unterstützt. In manchen Bereichen sei auch Home-Office möglich. Zudem könnten sich alle Frauen vertrauensvoll mit allen Anliegen an die Gleichstellungsbeauftragte wenden, um ganz individuelle Lösungen zu finden.
1975 gab es die ersten Soldatinnen bei der Bundeswehr - heute sind es in Deutschland fast 24.000. Dies ist nach Bundeswehrangaben ein Frauenanteil von etwa 13 Prozent. Vergleichsweise viele Frauen arbeiten im Sanitätsdienst der Bundeswehr. Etwa im Bundeswehrkrankenhaus (BWK) in Ulm. Laut Presse- und Informationszentrum seien dort aktuell über 200 Ärztinnen tätig und 140 Soldatinnen in der Pflege. Außerdem arbeiten Soldatinnen beim Sanitätsregiment 3 in Dornstadt im angrenzenden Alb-Donau-Kreis.
Beim Multinationalen Kommando Operative Führung in der Wilhelmsburg-Kaserne in Ulm sind derzeit rund 500 Soldaten und Soldatinnen tätig, so ein Sprecher - darunter mehr als 50 Frauen. Langfristig wolle man ihren Anteil deutlich erhöhen, am liebsten verdoppeln. Aber das brauche Zeit, glaubt Verena Haggenmiller.